Wir schreiben das Jahr 1987. Ronald Reagan ist Präsident der USA, im Kino läuft «Beverly Hills Cop 2», in der Hitparade spielt «La Bamba». Und im Schweizer Bankwesen macht das Swiss Interbank Clearing System (SIC) neu auch Zahlungen in Echtzeit möglich: Geld in Sekundenschnelle von einem Konto zum nächsten überweisen.
Mehr als 30 Jahre später sind solche Echtzeit-Überweisungen aber immer noch keine Selbstverständlichkeit. Der Grund: Das SIC wäre zwar dazu in der Lage, wickelt aber bloss im Hintergrund die Zahlungen von Bank zu Bank ab. Ihre eigenen Systeme haben viele Banken dagegen noch nicht angepasst.
Eine teure Angelegenheit ohne Prestige
«Der Grund liegt bei den Kosten», stellt Finanzexperte Martin Spieler fest. «Die Banken könnten problemlos Echtzeit-Überweisungen einführen, müssten aber in ihre Systeme investieren» – eine teure Angelegenheit in einem wenig lukrativen Bereich, der obendrein kaum Prestige bringt.
Ralf Beyeler vom Online-Vergleichsdienst Moneyland vermutet ausserdem, dass die Banken ein bereits funktionierendes System für Echtzeit-Zahlungen nicht konkurrenzieren wollen: Kreditkarten. Bei jeder Kreditkartenzahlung werden Verrechnungsgebühren fällig, mit denen die Banken Geld verdienen. «Würden Echtzeit-Überweisungen die gleiche Dienstleistung zu einem günstigeren Preis ermöglichen, könnte ein Online-Shop ja auf die Idee kommen, lieber darauf zu setzen», so Beyeler.
An Wochenenden und Feiertagen noch langsamer
Ausserdem gibt es Banken, die vom jetzigen Zustand direkt profitieren. Die Postfinance zum Beispiel führt Zahlungen standardmässig nicht am selben Tag aus. Gegen eine Gebühr von 5 Franken ist aber eine «Expresszahlung» möglich, die sofort verbucht wird.
Bei Banken wie der Credit Suisse oder der Zürcher Kantonalbank sind Echtzeit-Überweisungen aber heute schon die Regel – vorausgesetzt, auch die Empfänger-Bank spielt mit. Doch bei beiden Instituten gelten die Bürozeiten: Zahlungen müssen an Werktagen bis 16 Uhr bzw. 16.30 Uhr erfasst werden, um noch am selben Tag überwiesen zu werden. Wer erst am Freitag um 17 Uhr dran ist, muss fast drei Tage bis zum nächsten Montag warten, bei Feiertagen unter Umständen noch länger.
Banken scheuen zusätzliche Personalkosten
Auch hier sind die Kosten der Grund: Obschon im Zahlungswesen heute fast alles digital und automatisiert abläuft, ist in bestimmten Fällen doch noch eine manuelle Prüfung nötig – etwa bei unvollständigen oder fehlerhaften Daten oder dem Verdacht auf Geldwäsche. Um Zahlungen rund um die Uhr und an jedem Tag im Jahr möglich zu machen, müssten die Banken darum viel zusätzliches Personal einstellen.
Jürg Schneider von der SIX Group, welche die Infrastruktur für den Schweizer Finanzplatz betreibt und auch für das SIC zuständig ist, erklärt auf Anfrage, derzeit werde zusammen mit der Nationalbank und den Banken eine Studie zur Zukunft des Schweizer Zahlungsverkehrs durchgeführt («Swiss Payments Vision»). Zum jetzigen Zeitpunkt lasse sich aber noch nicht sagen, ob damit auch Echtzeit-Zahlungen bald zum Standard werden.