Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Was seit 1981 in der Bundesverfassung steht, ist noch längst nicht bei allen Schweizer Firmen Realität. Fast 40 Prozent der Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau bleiben unerklärt, das haben gestern veröffentlichte Zahlen des Bundesamts für Statistik gezeigt.
Beliebtes Geschäft, wenig Transparenz
Unternehmen, die sich in Sachen Lohngleichstellung an das Gesetz halten, wollen das auch zeigen. Einige Firmen lassen ihre Löhne deshalb mit einem Zertifikat bescheinigen. Die hohe Nachfrage nach Zertifikaten ruft immer mehr Anbieter von solchen Gütesiegeln auf den Markt. «Wir beobachten, dass immer mehr Beratungsunternehmen Zertifikate für Lohngleichheit anbieten wollen», sagt Sylvia Durrer, Direktorin vom eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG).
Eine Entwicklung, die das EBG begrüsse, wenn die angewandte Methode auch wissenschaftlich und juristisch korrekt sei. «Es gibt aber sehr viele private Anbieter. Und wir haben nicht genügend Ressourcen, um alle zu überprüfen», sagt Durrer. Das EBG empfiehlt auf seiner Webseite denn auch nur zwei Organisationen, die Zertifikate ausstellen: Die Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Managementsysteme (SQS) und die Stiftung Equal-Salary, die mit dem Beratungsunternehmen PwC zusammenarbeitet.
Ein gutes Gewissen und bessere Wettbewerbsfähigkeit
Unternehmen, die sich von Equal-Salary bescheinigen lassen, müssen sich einer statistischen Analyse unterziehen. Zudem wird etwa überprüft, wie sich das Management der Firma für die Lohngleicht engagiert und wie die Mitarbeitenden dieses Engagement beurteilen.
Auch der Anbieter für Büroartikel Lyreco hat sich einer solchen Überprüfung unterzogen und ein Zertifikat von Equal-Salary erhalten. Lyreco habe den Druck der öffentlichen Diskussion gespürt: «Die Hälfte unserer Angestellten sind Frauen. In der Geschäftsleitung haben wir uns immer wieder gefragt, ob wir ein gutes Gewissen bezüglich der Lohngleichheit haben können», sagt Thomas Illi, CEO von Lyreco.
Das war aber nicht der einzige Grund. Auch die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens spielte eine Rolle: «In öffentlichen Ausschreibungen wurde immer wieder gefragt, ob wir die Lohngleichheit garantieren können», sagt Illi. Tatsächlich zeigte die Überprüfung, dass einige Frauen zu wenig verdienten. «Es gab Lohnunterschiede, die wir nicht erklären konnten. Diese Löhne haben wir nach oben korrigiert.»