Für viele Versicherte ist die Pensionskasse das Rückgrat der Altersvorsorge: Erst die Renten aus der zweiten Säule ermöglichen – insbesondere dem Mittelstand – den gewohnten Lebensstandard im Alter. Zumindest ein Stück weit.
Das Kapital, das sich bei den aktiv Versicherten aufgetürmt hat, beträgt knapp 550 Milliarden Franken, so die Zahlen des Bundes für 2019. Mehr als die Hälfte davon, über 300 Milliarden, kaum geschützt, gehört zum Überobligatorium.
Keine gesetzlichen Mindestvorschriften
Diese Gelder sind im Vergleich zum so genannten BVG-Obligatorium nicht durch gesetzliche Mindestvorschriften geregelt, die jede Pensionskasse zwingend einhalten muss. Stattdessen bestimmt der Stiftungsrat einer Pensionskasse, das oberste Entscheidungsgremium, was mit diesem Geld passiert.
Dabei geht es vor allem um die Höhe der Prozente, mit der ein Altersguthaben in eine Rente gewandelt wird , den berühmten Umwandlungssatz. Und um die jährliche Verzinsung der Altersguthaben.
Millionen Versicherte im Überobligatorium
Wer meint, es gehe im Überobligatorium nur um das Geld von Einkommensmillionären und Spitzenverdienern, täuscht sich. 70 Prozent der über 4 Millionen Pensionskassen-Versicherten haben Altersguthaben im Überobligatorium. Denn ab einem jährlichen Brutto-Einkommen von rund 85'000 Franken wird aus den Beiträgen von Arbeitnehmenden und Arbeitgeber sowie der Verzinsung des Kapitals Altersguthaben im Überobligatorium gebildet.
System schwächelt
Jahrzehntelang funktionierte das Schweizer Pensionskassen-System problemlos. Das hat sich geändert. Der Jurist und Sozialversicherungsexperte Michael Meier sagt: «Das Problem, das sich in den letzten Jahren akzentuiert hat, ist, dass überobligatorische Altersguthaben gebraucht werden – gebraucht werden dürfen – um obligatorische Mindestleistungen quer zu finanzieren». Zudem mache es die dauerhafte Tief- oder sogar Negativzinsphase für viele Pensionskassen immer schwieriger, regelmässig ausreichend Erträge auf dem Kapital zu erwirtschaften. Und selbst, wenn es gut läuft, wirkt sich das nicht zwingend direkt auf das Alterskapital der Versicherten aus. Gemäss Vermögensverwalter Swisscanto erzielten Pensionkassen 2019 eine durchschnittliche Performance von über 10 Prozent. Sie verzinsten die Altersgutaben aber lediglich mit rund 2.6 Prozent.
Gesetzlicher Schutz auch im Überobligatorium?
Stellt sich die Frage, ob das Überobligatorium nicht auch per Gesetz geschützt werden müsste. Beispielsweise, was die Verzinsung betrifft. Hanspeter Konrad, Direktor des Schweizer Pensionskassenverbandes, verneint: «Eine gesetzliche Regulierung im überobligatorischen Bereich braucht es nicht. Es ist gerade das Besondere am System, dass man auf der einen Seite das BVG hat, das den Rahmen vorgibt, und auf der anderen Seite die weitergehende Vorsorge, die durch Stiftungsräte reguliert werden kann».
Für Michael Meier hingegen wäre eine gesetzliche Regelung denkbar: «Der Lebensstandard richtet sich nach dem Lohn, den man erhält. Niemand unterteilt den Lohn in Obligatorium und Überobligatorium. Bei der Pensionierung erwartet er , dass ihm die Pensionskasse den Lebensstandard über diesen 85'000 Franken sichert». Doch dies ist ungewiss. Denn das Kapital des Mittelstandes im Überobligatorium wird zunehmend zur finanziellen Manövriermasse.