Der Prozess vor dem Obergericht beendete eine weitere Etappe in einem Verfahren, das 2010 mit Schüssen im lokalen Rotlichmilieu begonnen hatte und zeitweise als Justizaffäre Schlagzeilen machte. Der Verteidiger prägte lange wortreich die Szenerie. Am letzten Prozesstag schien der Oberstaatsanwalt das Blatt kehren zu wollen.
90 Minuten lange Rede
Der Abschluss gehörte dem Beschuldigten, Ignaz Walker. In einem 90 Minuten langen Schlusswort stellte er sich detailreich als Opfer der Urner Justiz dar.
Der 47-Jährige stand, nach einem Prozess vor dem Landgericht 2012 und einem ersten Prozess vor dem Obergericht 2013, bereits zum dritten Mal vor den Schranken. Wegen den ihm vorgeworfenen und von ihm stets bestrittenen Tötungs- und Mordversuch.
Das Obergericht hatte Walker zu einer 15-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er auf einen Gast geschossen und einen Killer auf seine Frau angesetzt habe. Der Gast blieb unverletzt, die damalige Gattin Walkers wurde durch drei Kugeln schwer verletzt. Der Auftragsschütze ist rechtmässig verurteilt.
Weiteres im Fall Walker
Das Bundesgericht hob das Urteil 2014 auf. Es untersagte dem Obergericht, eine umstrittene DNS-Spur zu verwenden und verlangte von ihm, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, damit der Gast als Hauptbelastungszeuge erneut befragt werden könne.
Hauptzeuge verstorben
Dieser gesuchte Gast blieb für die Urner Justiz aber unauffindbar. Letzte Woche machte die SRF-Sendung «Rundschau» bekannt, dass er ein in Frankreich verurteilter Drogenhändler und verstorben sei. Der tote Zeuge erhielt im Prozess eine wichtige Rolle.
Verteidiger Linus Jaeggi warf der Staatsanwaltschaft vor, sie habe mit möglicherweise widerrechtlichen Mitteln eine erneute Befragung des Zeugen verhindert. Jaeggi erklärte theatralisch, dass die gesamten Akten zu diesem Fall «vergiftet» seien und sein Mandant schon deswegen «im Zweifel für den Angeklagten» freizusprechen sei.
Oberstaatsanwaltschaft wies Vorwürfe zurück
Oberstaatsanwalt Thomas Imholz geriet darob unter Druck. Das Bundesgerichtsurteil und eine mutmassliche Befangenheit eines Polizisten hatten bereits zuvor das Ansehen seiner Behörde ramponiert.
Imholz erklärte in seinem selbstbewussten Plädoyer vor dem Obergericht, dass 2012 beim Prozess vor dem Landgericht der Aufenthaltsort des Gastes allen bekannt gewesen sei. Er machte geltend, dass es nicht seine Aufgabe gewesen sei, den Zeugen zu finden, weil das Verfahren von den Gerichten geleitet worden sei.
Komplotttheorie neu interpretiert
Noch eine andere Geschichte der «Rundschau» prägte den Prozess. Der verurteilte Auftragsschütze hatte gegenüber der Sendung erklärt, dass die Gattin des Barbetreibers den Mordanschlag inszeniert habe, um den Mann hinter Gitter zu bringen. Geschossen habe eine weitere Person.
Verteidiger Jaeggi sagte, die Mordkomplotttheorie löse zahlreiche Widersprüche auf, die die Auftragsmordtheorie der Staatsanwaltschaft habe. Immer wieder versuchte er, die Darstellung der Angeschossenen als unlogisch darzustellen.
Eine Befragung des Auftragsschützen vor Gericht brachte keine Klarheit. Der Kroate beantwortete kaum eine Frage und empfahl dem Gericht, die «Rundschau»-Sendung im Internet anzusehen.
Weitere Personen wurden zu einem möglichen Mordkomplott befragt. Eine Staatsanwältin aus Obwalden, die sich gegenüber der «Rundschau» verlautbart hatte, brachte dessen Bruder als möglichen Täter ins Spiel. Ein Ballistiker, der das fingierte Attentat zunächst zu bestärken schien, rückte es bei einer zweiten Befragung in den Hintergrund.
Ein Brief wendete das Blatt
Am letzten Prozesstag sah die Staatsanwaltschaft die Komplotttheorie als erledigt an, dies dank eines Briefes des Auftragsschützen an die «Rundschau». Der Brief war im Kanton Luzern beschlagnahmt worden und erst am Mittwoch in die Gerichtsakten aufgenommen worden. Der im Brief genannte Name verweist auf eine Person, die als Schütze gar nicht in Frage kommt.
Für den Urner Oberstaatsanwalt Thomas Imholz beweist der Brief, dass die «Rundschau» Teil der Verteidigungsstrategie gewesen sei. Die SRF-Sendung wies die Kritik in einer Mitteilung zurück. Sie habe nie Schuldzuweisungen gemacht, sondern nur Zweifel an der Theorie der Staatsanwaltschaft thematisiert.