200 Jahre Erstbesteigung Tödi - Hochtour zum höchsten Glarner Gipfel – eine Hommage an den Tödi
Muskelkraft, Schweiss und Tränen der Freude – die Hochttour zum Tödi bringt Wanderleiter und SRF-1-Outdoor-Reporter Marcel Hähni an seine körperlichen Grenzen. 200 Jahre nach der Erstbesteigung klettert er auf der fast originalen Route zum höchsten Glarner Gipfel.
Mein Abenteuer am Tödi beginnt verhalten. Kaum am Ausgangspunkt in Linthal angekommen, ziehen Wolken am Himmel auf und ein Gewitter entlädt sich direkt über uns. Uns, das ist Roman Fischli, Glarner Bergführer, auch bekannt als «Wildi» und ich, SRF-1-Outdoor-Reporter Marcel Hähni.
Marcel Hähni
SRF-1-Outdoor-Reporter
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Marcel Hähni, Jahrgang 1970, ist Redaktor und Produzent bei Radio SRF 1 und ausgebildeter Wanderleiter. Regelmässig berichtet er auf der News App, srf1.ch und im Radio über seine neusten Abenteuer und verrät Tipps und Tricks für die Outdoorwelt.
«Wildi» wird mich auf der Tour zum Tödi durch die Südwestwand führen. Eine ähnliche Strecke, wie sie am 1. September 1824 die beiden Bündner Jäger Placidus Curschellas und Augustin Bisquolm gemacht haben. Sie gelten als die Erstbesteiger des Tödi.
König der Glarner Berge – das Tödimassiv
Als Erstes gilt es, den Aufstieg zur Planurahütte hinter sich zu bringen. Dafür kann man für ein Stück des Weges den Dienst eines Alpentaxis in Anspruch nehmen. Das machen wir.
Unterwegs treffen wir auf die Hüttenwartin Silvia und einen weiteren Bergführer, die damit beschäftigt sind, den Zustieg zur Hütte auszubessern. In der Hütte selbst treffen wir auf andere Alpinisten, aber keiner davon will am nächsten Tag zum Tödi.
Den Tödi muss man sich verdienen. Er ist anspruchsvoll und bietet für jeden Alpinisten etwas.
Nach dem Znacht gibt es eine Tourbesprechung, bei der ich erfahre, dass ich den grössten Teil der Tour am Seil gesichert gehen werde. Es erwarten mich gut 1 500 Meter Aufstieg über Geröll und Felsen in steilen Passagen. Zudem müssen wir am Gipfel mit Neuschnee rechnen. Und das im August! «Den Tödi muss man sich verdienen. Er ist anspruchsvoll und bietet für jeden Alpinisten etwas.» Was diese Aussage von «Wildi» bedeutet, merke ich am nächsten Tag schnell.
Steigeisen an und ab, an und ab
Nur schondas mehrmalige An- und Abmontieren der Steigeisen bringt mich ins Schwitzen. Auch der ständige Wechsel des Untergrunds, Geröll, Eis und Felsplatten setzen mir zu. Doch das ist alles vergessen, als wir nach gut vier Stunden am Gipfel im Neuschnee stehen. Es windet und ist kalt auf 3612 m ü. M. am Piz Russein. Das Gipfelfoto täuscht. Nur ganz kurz nach der Aufnahme reisst das Wetter auf. Die Sonne erreicht uns. Ich bin glücklich.
Erstbesteigung Tödi vor 200 Jahren
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Ende des 18. Jahrhunderts versuchte der Benediktinermönch und Alpenforscher Placidus a Spescha den Tödi von der Bündnerseite zu besteigen. Trotz mehreren Anläufen gelang ihm aber die Ersteigung des Tödi nicht. Am 1. September 1824 schafften das dann die beiden Bündnerjäger Placidus Curschellas von Truns und Augustin Bisquolm von Disentis.
Von der Ruseinalp aus stiegen die beiden Männer über die Südwestwand zum Piz Russein, der höchste Spitze des Berges auf 3612 m ü. M.
Schon ein paar Jahre früher erfolgten auch erste Besteigungsversuche von der Glarnerseite her. Der Arzt und Naturforscher Johannes Hegetschweiler von Stäfa, versuchte mehrmals in Begleitung des Gemsjägers Hans Thut von Linthal aus den Berg zu bezwingen.
Von der Obersandalp aus erreichten sie über die Röti und das Grünhorn den Bifertengletscher und stiegen über die Gelbe Wand auf etwa 2850 Meter hinauf. Hier wurden sie durch das schlechte Wetter zum Rückzug gezwungen.
Die beiden haben aber die Hauptschwierigkeiten auf dem Bifertengletscher und an der Gelben Wand überwunden und den späteren Besteigern den Weg gezeigt.
Abstieg durch den Gletscher
Jetzt geht es aber erst richtig los. Es erwarten uns über 2400 Meter Abstieg. Wie sich das am Ende auf meine Kniegelenke auswirken wird, erahne ich hier noch gar nicht. Denn zuerst geht es locker flockig über den schneebedeckten Gletscher. Die tiefen Gletscherspalten sehe ich erst im unteren Teil und bin dankbar, dass «Wildi» praktisch jede dieser Spalte zu kennen scheint.
Ich kann nicht mehr. Ich habe keine Kraft mehr in den Armen und muss mich fallen lassen.
Dann die Challenge an der Gelben Wand. Am Seil gesichert über den Felsen hinunterklettern. «Ich kann nicht mehr. Ich habe keine Kraft mehr in den Armen und muss mich fallen lassen.» Falle ich jetzt ungebremst ins Seil und verletzte mich? – Nein, ich befinde mich 20 cm über dem Boden. Gerettet.
Was jetzt noch kommt, ist eine mühsame Plackerei. Die Füsse brennen, die Gelenke schmerzen. Über die alte Grünhornhütte, die älteste nicht mehr in Betrieb stehende SAC-Hütte, kommen wir zur Fridolinshütte. Hier gibt es endlich ein kühles Bier. Dass wir jedoch weitere drei Stunden Abstieg vor uns haben, will ich nicht so recht wahrhaben. Aber zum Schluss sind es genau noch einmal so viele Stunden. Ich bin erledigt, aber «usinnig glücklig».
Die Tour zum Tödi
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Zum Piz Russein, dem höchsten Punkt des Tödi-Massivs auf 3612 m ü. M.führen verschiedene Routen. Eine der beliebtesten ist der Aufstieg über die Fridolinshütte, die gelbe Wand und den Bifertengletscher zum Gipfel. Und dann wieder auf dem gleichen Weg zurück. Meine Route führte mich von der Planurahütte her über die Südwestwand auf den Tödi. Eine klassische Überschreitung. Insgesamt fast 2000 Höhenmeter Aufstieg und 2400 Meter Abstieg. Unterwegs waren wir am Gipfeltag rund 11 Stunden.
Tag 1
Mit Alpentaxi von Linthal nach Alp Hinter Sand-Planurahütte SAC.
Dauer: rund 5 h
Länge: 10 Kilometer
Aufstieg 1700 m
Schwierigkeitsgrad: streng – alpiner Bergweg, ohne Bergführer machbar
Tag 2
Planurahütte SAC – Sandpass- Westwand – Piz Russein 3612 m – höchster Punkt Tödi – Piz Russein – Bifertenfiren – Schneeruus – Gelbe Wand – Grünhornhütte (erste und älteste SAC Hütte der Schweiz, heute nicht mehr in Betrieb. Fridolinshütte SAC – Alp Hinter Sand – mit Alpentaxi nach Linthal (GL)
Dauer: rund 9 - 11 h
Länge: 11 Kilometer
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 2800 m
Schwierigkeitsgrad: sehr streng – Hochalpin, mit Klettern und am Seil
Wichtig: Nur in Begleitung eines Bergführers oder einer Bergführerin
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