Es ist der Morgen vom 20. Dezember, leichter Schneefall in Davos, die Temperatur beträgt minus 5 Grad. Der Bolgenlift, der erste Bügellift der Welt, startet heute in die Wintersaison. «Am ersten Tag ist meistens nicht so viel los», sagt Jürg Sprecher in der Sendung «Treffpunkt» auf SRF 1.
Ausserdem habe es am Bolgen generell weniger Leute als früher. Sprecher muss es wissen. Er arbeitet seit zwanzig Jahren Winter für Winter als Bügelgeber am Bolgenlift.
Erfunden von einem Unterländer
Früher ist im Falle des Bolgenlifts ein dehnbarer Begriff. An Heiligabend 1934, also vor 90 Jahren, wurde der 24-PS-Schlepplift in Betrieb genommen – als Holzkonstruktion mit Förderseil und Einerbügel.
Konstruiert wurde er vom Zürcher Ingenieur Ernst Gustav Constam. Dies, nachdem eine Studie der Davoser Skischulen gezeigt hatte, dass Skischüler pro Unterrichtsstunde nur gerade sechs Minuten mit Skifahren verbrachten. Der Rest der Zeit ging für den Aufstieg drauf.
Zirka 70'000 Personen zog der Bolgenlift in der ersten Saison die rund 270 Meter lange Strecke rauf auf den Hügel, dies bei ca. 60 Meter Höhendifferenz. Bald schon verdoppelte man die Kapazität, indem man statt Einerbügel die t-förmigen Doppelbügel installierte – ein Vorschlag des Skilehrers Jack Ettinger.
«Bügellifte sind eigentlich nicht so beliebt»
Der Bolgenlift wird allem von Kindern und Anfängern genutzt. «An einem Spitzentag zählen wir heute etwa 3000 Fahrten», sagt Jürg Sprecher. «Aber eigentlich sind Bügellifte nicht so beliebt. Gerade die Anfänger fürchten sich oft davor.»
Zumal der Bolgenlift eben kein «Selbstanbügler» sei. «Unsere Aufgabe ist es, die Bügel erst zurechtzurücken und dann den Leuten unters Füdli zu schieben.»
«Wir wussten, dass Skilehrer bei Frauen gut ankommen»
Einer, der den Bolgenlift ebenfalls in- und auswendig kennt, ist der 93-jährige Otto Farrer. «1951 habe ich an diesem Lift den Skilehrerkurs gemacht», erinnert er sich.
«Wenn es über Nacht geschneit hat, wurden wir in der Früh aufgeboten, um zu Schnee zu stampfen und die Umgebung des Lifts zu präparieren.»
Als Skilehrer hat er allerlei Menschen in die Kunst des Skifahrens eingeweiht. Beispielsweise einen ehemaligen US-Minister, der sehr nett und umgänglich gewesen sei. Ein anderer Gast habe bereits am frühen Morgen in der Beiz Bündnerfleisch und Champagner bestellt.
«Skilehrer ist ein schöner Beruf – locker und schön», sagt Otto Farrer. «Aber ich wollte den Leuten schon auch etwas bieten.» Auch dem weiblichen Geschlecht? «Wir wussten schon als Kinder, dass Skilehrer bei den Frauen gut ankommen», schmunzelt er. «In den meisten Fällen bin ich nicht auf solche Avancen eingegangen – aber ich habe hin und wieder eine Ausnahme gemacht.»
«Wir haben einander vom Lift geschubst»
Auch Paul Accola verbindet besondere Erinnerungen mit dem Bolgenlift. Das frühere Schweizer Ski-Ass ist mehr oder weniger neben dem Lift aufgewachsen. «Wir haben früher schon auch ‹e huufe Seich› gemacht», sagt er. «Zum Beispiel einander vom Lift geschubst.»
Es war denn auch der Bolgenlift, der am Ursprung von Accolas grosser Karriere gestanden hat. Vom ersten Bügellift der Welt aus hat er es zu mehreren Medaillen an Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften und unter anderem auch zum Sieg des Gesamtweltcups geschafft.