Historische Hotels in der Schweiz mit ihrer historischen Substanz beherbergen eine Fülle von Geschichten, Erlebnissen und Traditionen. Sie repräsentieren je eine bestimmte Zeit des Reisens, die Art des früheren Fremdenverkehrs und heutigen Tourismus oder sind Zeugen kultureller oder politisch relevanter Ereignisse.
Der Tourismus nimmt Fahrt auf
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Früher galten die Alpen als mühsames Hindernis und Bedrohung. Die Schweiz war lediglich Transitland in den Süden.
Mitte des 18. Jahrhunderts, mutierten die Alpen zu einem Sehnsuchtsort und zu einem Ziel für Reisen. 1863 entwickelte der Reisepionier Thomas Cook die erste Pauschalreise in die Schweiz. Die Schweizer Alpen waren damals der meistbesuchte Ort Europas.
Mit dem Aufkommen der Bahn nahm auch der Bädertourismus Fahrt auf. Tourismus, Hotels und Mobilität begünstigten sich gegenseitig.
Mit dem aufkommenden Tourismus im 19. Jahrhundert entstanden immer mehr Hotels. Diese grosse Anfangszeit der heute historischen Hotels endete jäh mit dem Ersten Weltkrieg. Daran anknüpfen konnten sie erst wieder ab den 1950er Jahren.
Hotel Blume – 600 Jahre altes Bäderhotel in Baden (AG)
Die «Blume» ist das einzige Hotel im Bäderquartier im aargauischen Baden, das seit seiner Entstehung ununterbrochen in Betrieb ist. 2021 feierte es seinen 600. Geburtstag.
Bäderhotel Blume, Baden (AG)
Das elegante Atrium ist sein eigentliches Markenzeichen: ein rechteckiger Innenraum in der Mitte des Gebäudes. Der Belle-Époque-Saal erstrahlt seit ein paar Jahren wieder im Originalzustand von 1872. Die kleinen Badekammern im Keller stammen noch aus der Boomzeit der Badekuren Ende des 19. Jahrhunderts. Hier fliesst bis heute Thermalwasser aus der Quelle «Grosser Heisser Stein» am Kurplatz.
«Wirkt gegen Kälte des Hirns und trocknet das Fleisch»
Bis in die frühe Neuzeit wurde komplett anders als heute zur Kur gebadet. Die Kurgäste damals tummelten sich in riesigen Gemeinschaftsbädern. Vor allem blieben sie fast den ganzen Tag über im heissen Thermalwasser. Damit wollte man einen sogenannten Badeausschlag provozieren, der die schlechten Säfte herausziehen und von allerlei Zipperlein befreien solle.
Illustre Gäste in der «Blume» und ein Mord
Es gibt Mythen und Anekdoten, zum Beispiel zum Mord an Ritter Gotthard II. aus Breiten-Landenberg im Jahr 1526. Dieser wurde mutmasslich vom damaligen Blumenwirt Jakob Seeholzer erstochen. Über die Hintergründe gibt es lediglich Hypothesen: Hatte Gotthard zu stark um die Wirtin gebuhlt? Ging es um sein Vermögen? Ging es um Erbstreitigkeiten, bei der die «Blume» involviert war?
In neuerer Zeit haben prominente Gäste ihre Aufwartung gemacht, wie etwa Alt-Bundesrätin Doris Leuthard, der ehemalige Radrennfahrer Fabio Cancellara, Rapper Stress, die Rockband Plüsch, der Schriftsteller Hermann Hesse oder der Maler Carl August Liner.
Das Erhalten der historischen Substanz als Daueraufgabe
Die Hoteldirektoren Patrik Erne und sein Bruder Silvio führen das Hotel seit 2002 in zweiter Generation. Die «Blume» als historisches Hotel mit grossem Aufwand erhalten, haben sie sich auf die Fahne geschrieben. Auch wenn dies mit viel Aufwand verbunden ist. Als Pflanzenliebhaber ist der Hoteldirektor Patrik Erne für das Giessen von rund 120 Pflanzen im mediterranen Innenhof höchstpersönlich zuständig. Als wäre alles andere nicht schon genug Arbeit.
Das Hotel Terrasse in Vitznau (LU) ist Teil der Tourismusgeschichte
1871 startete die erste Bergbahn Europas von Vitznau auf die Rigi. Zwei Jahre später eröffnete in Vitznau die Hotel-Pension Rigibahn, das heutige Hotel Terrasse. Hotel und Bahn sind historisch eng miteinander verzahnt und beide repräsentieren die Zeit der ersten Pauschalreisen von Thomas Cook und die Zeit, in der die Schweiz zum europäischen Tourismusmagnet mutierte.
Hotel Terrasse in Vitznau
Die ehemalige Pension liegt am Vierwaldstättersee, mit Dampfschiff und Dampfzug vor der Haustüre. Wer dort früher alles abstieg, ist nicht belegt. Als einfache Pension zog sie keine Berühmtheiten an.
Zeitzeuge der Architektur
Die Pension Rigibahn wurde im damals üblichen Stil des Späthistorismus gebaut. 1901 wurde der Bau um ein Geschoss und einen Eckturm erweitert, Balkone wurden angebaut und Fensterformen modernisiert. Was das heutige Hotel Terrasse auszeichnet, ist der in den See ragende Rondellsaal von 1929, im Stile des sogenannten Neuen Bauens.
Das grosse Wandbild, die runde Deckenlampe sowie die Möbel von Designer Max Häfeli, produziert von der Firma Horgenglarus, sind bis heute erhalten.
Erstes Dancing der Innerschweiz
Das Rondell wurde tagsüber als Speisesaal und abends als erstes und einziges Dancing der Innerschweiz genutzt.
Das historische Hotel restaurieren und mit Leben füllen
Von 2003 bis 2022 waren Roland Scherrer und Pia Nussbaumer Scherrer Gastgeber im Hotel Terrasse am See. Die beiden führten das kleine Hotel sehr persönlich.
Swiss Historic Hotels und die Imagewende
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«Swiss Historic Hotels» SHH
ist eine Marketingorganisation, die 2004 mit dem Ziel angetreten war, historische Hotels bekannter zu machen und dem Image vom «alten Hotel» entgegenzutreten. Früher haftete alten Hotels das Image an, sie seien in ihrer Entwicklung stehengeblieben. Dagegen wehrten sie sich unterdessen mit Erfolg.
Die aktuell 61 Mitgliederhotels müssen allerdings bestimmte Kriterien* erfüllen:
Sie sind mindestens 30 Jahre alt.
Sie haben architekturgeschichtliche Bedeutung.
Gebäude, Umgebung, Räume, Mobiliar, Beleuchtung, etc. bauen vorwiegend auf dem historischen Original auf.
Umbauten werden in der Regel von der Denkmalpflege und verwandten Organisationen begleitet und betreut.
Die Hotels zeichnen sich durch eine, der Sterne-Kategorie entsprechend, hohe Qualität der Dienstleistung aus.
(*Quelle: https://swiss-historic-hotels.ch/)
«Wir waren fast rund um die Uhr im Hotel präsent», erzählen sie heute. Unter ihrer Leitung wurde das Hotel fortlaufend und mit viel Engagement im historischen Stil restauriert. Vor ihrer Pensionierung sorgten sie dafür, dass das Terrasse auch in Zukunft als Hotel bestehen bleibt.
Villa Carona im Tessin
Jörg und Cornelia Deubner kommen beide aus dem Hotelgewerbe. Auf der Suche nach einem eigenen Hotel in den Nullerjahren fanden sie die Villa Carona in der Nähe von Lugano.
«Mit 18 Zimmern ist das Hotel etwas klein, aber wir haben uns in das Hotel verliebt», sagen sie.
Neues Leben eingehaucht
Da beide für Renovationen immer wieder auch selber Hand anlegen, fanden sie eines Abends Blumenmuster unter einer weissen Deckschicht.
Villa Carona
Dies bestärkte sie in ihrer Absicht, das Haus, quasi Zimmer für Zimmer, als historisches Hotel zu restaurieren und zu erhalten. Heute sind alle Gästezimmer mit historischen Möbeln ausgestattet, zahlreiche historische Böden freigelegt und illusionistische Malereien an Wänden und Decken wieder sichtbar gemacht.
Die Villa Carona ist ein ehemaliges Herrschaftshaus
Das Hotel war ursprünglich das Herrschaftshaus einer Caroneser Unternehmerfamilie, die in Mailand ihre Geschäfte tätigte und es für die Sommerfrische benutzte.
Das zweistöckige, würfelförmige Haus steht inmitten einer grossen Gartenanlage mit Blick auf den Monte Generoso und die Tessiner Bergwelt. Erst 1951 etablierte sich in der Villa Carona ein Hotelbetrieb.
Die reich mit Malereien und Stuckaturen verzierte Villa Carona steht unmittelbar neben dem alten Kern des Dorfes Carona, flankiert von verschiedenen weiteren Villen im Dorfkern. Sie alle zeugen von einer architektonisch reichen Vergangenheit. Caroneser Handwerker gingen früher als Stuckateure, Steinmetzen, Bildhauer und Architekten ins Ausland und machten Karriere. Sie kehrten reich und berühmt zurück und bauten hier ihre kunstvollen Villen.
Carona, das «Dorf der Künstler», war später stets auch Rückzugsort und Treffpunkt von Künstlerinnen und Künstler, wie Lisa Tetzner und Kurt Held, Hermann Hesse, Lisa Wenger, Meret Oppenheim, David Weiss, Markus Raetz und vielen mehr.
Das Hotel Regina in Mürren (BE) und der emotionale Wert eines Hotels
Das Hotel Regina in Mürren mit Baujahr 1895 gehört zu den Urgesteinen des Bergdorfes im Berner Oberland. Ursprünglich als Pension gebaut, mit rotbrauner Schindelfassade, einem geschwungenen Dach und mit Blick auf das Jungfraumassiv, ist es heute ein historisches Hotel der Mittelklasse; geführt als Kulturhotel.
Hotel Regina Mürren
Dieses und andere Hotels im Berner Oberland sind ohne den damals aufkommenden Skitourismus der Engländer nicht denkbar. Mürren war der Geburtsort des alpinen Slaloms.
Gäste retten das Hotel vor der Spekulation
Das Hotel Regina aus der Belle Époque mit seinen 50 Zimmern stand 2014 zum Verkauf. Peter und Gisela Vollmer aus Bern waren damals mit ihren Kindern seit vielen Jahren Stammgäste. «Das Regina hat einen eigenen Charme und eine besondere, familiäre Atmosphäre.
Wir konnten uns nicht vorstellen, dass das Hotel eines Tages vielleicht ein Haus für Eigentum-Appartements geworden wäre», erzählen beide und kommen dabei noch immer sichtlich in Fahrt. Deshalb gründeten die beiden, zusammen mit anderen Gästen, eine AG und kauften das heruntergekommene Hotel.
Wenn Gäste renovieren – Bauwochenenden im Hotel Regina
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Zwei Jahre nach der Übernahme des Hotels durch eine Gruppe langjähriger Hotelgäste, organisierten 2016 die Miteigentümer Gisela und Peter Vollmer ein erstes Bauwochenende im Regina. 20 bis 25 hochmotivierte «Gäste und Freunde des Hauses” nähten, strichen, bauten und reparierten zwei Tage lang. Im Herbst 2016 wurde im Jungfrausaal ein erster Teil der Originaltapete freigelegt, die ersten Türen gestrichen und sämtliche Tische geschliffen und geölt. Auch die Gartenstühlen wurden komplett überholt, viele Möbel wurden instand gestellt und in den ersten Zimmern das Holzwerk gestrichen. Diese Wochenenden finden seither zweimal pro Jahr statt.
Seither wird das Hotel sanft und nachhaltig renoviert. Neben professionellen örtlichen Handwerkern helfen auch Gäste tatkräftig mit.
Anpacken für das Wohl des Hotels
Seit Jahren finden regelmässig Bauwochenende im Regina statt. Gäste reparieren, streichen, nähen und gärtnern unter kundiger Anleitung.
Bauwochenende mit Freiwilligen
Auch unter den tatkräftigen Gästen befinden sich Profis, wie zum Beispiel Architektinnen und Restauratoren. Koordinatorin Gisela Vollmer ist Architektin und Raumplanerin. Das Hotel lebt so, trotz kleinem Renovationsbudget, als historisches Hotel weiter.
Historischer Hotels schützen und beleben
«Historische Hotels» sind nicht einfach in die Jahre gekommenen Hotels wie früher, sondern Hotels, deren bauliche Vergangenheit mit Akribie erhalten und gepflegt wird.
Historische Hotels» sind nicht einfach in die Jahre gekommenen Hotels wie früher, sondern Hotels, deren bauliche Vergangenheit mit Akribie erhalten und gepflegt wird.
Gleichzeitig sind sie nicht bloss museale Zeugen der Vergangenheit, sondern Teil des Schweizer Hoteltourismus», sagt der Architekturhistoriker und Denkmalpfleger Roland Flückiger.
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