Grönland ist nicht gleich Grönland. «In der Hauptstadt Nuuk gibt es Shopping-Malls, Clubs und Theater», weiss Beat Hächler. Er ist als Kurator der aktuellen Ausstellung «Grönland. Alles wird anders» im alpinen Museum Bern dreimal nach Grönland gereist. «Die Lebensrealitäten in Grönland sind extrem unterschiedlich.»
Im Dorf Kullorsuaq zum Beispiel, hätte wohl selbst manche Person aus Grönland einen Kulturschock. Das Fischerdorf liegt weit abgeschieden im Nordwesten Grönlands, 250 Kilometer von der nächsten Stadt entfernt. Nur 500 Menschen leben dort. Eine von ihnen: Birgitta Kammann Danielsen.
Zwischen Tradition und Moderne
«Die traditionelle Jägerkultur ist hier noch sehr lebendig. Robbenfleisch ist unser täglich Brot.» Auch Wale und Eisbären würden verzehrt. Bärenfelle werden zu Kleidern verarbeitet.
Es gibt in der Siedlung auch einen Laden mit Produkten aus dänischen Supermärkten. Da von November bis Mai aber keine Versorgungsschiffe fahren können, gebe es auch mal den einen oder anderen Engpass, erzählt die gebürtige Deutsche. Das Dorf ist im Winter nur per Schneetöff, Hundeschlitten oder Helikopter erreichbar. Überlandstrassen gibt es in Grönland keine.
Wohl aber Tiefkühltruhen! «Das mag witzig klingen, aber ja, wir haben drei davon», so Kamman Danielsen. «Im Sommer kann es hier 20 Grad warm sein. Wir laufen im T-Shirt herum!».
Das passt nicht zum Bilderbuch-Grönland in unseren Köpfen, aber Grönland ist nicht per se weiss. Es gibt auch saftig grüne Matten. Im Süden werden Kartoffeln angebaut. Grönland bedeutet denn auch Grünland.
Grönland als Weltlabor
Doch nicht nur die Natur ist faszinierend. Grönland sei auch eine Art Weltlabor, findet Museumskurator Beat Hächler. In Grönland liessen sich Wandel im Kleinen beobachten, welche die ganze Welt betreffen.
- «Der Klimawandel: In Grönland schmilzt das Eis viermal schneller als noch vor 20 Jahren.»
- «Der Rohstoffhunger: Die Welt braucht die Ressourcen für den Energiewandel - Grönland hätte sie. Doch wer darf unter welchen Bedingungen was abbauen?»
- «Die postkoloniale Frage: Wie klärt man die Beziehung zwischen ehemals ‹ersten Welt› und dem ‹globalen Norden› auf Augenhöhe?»
Grönland und die Schweiz
Und bei seinen Reisen nach Grönland sind Beat Hächler auch gewisse Parallelen zur Heimat aufgefallen: Overtourism sei ein grosses Thema. Wie viele Touristen verträgt das Land? Oder auch der Umgang der Landwirtschaft mit wilden Tieren: «In Grönland werden die Schafe vom Eisbären gerissen, bei uns vom Wolf.»
Doch wo unterscheiden sich denn die Einwohner Grönlands und die Einwohnerinnen der Schweiz oder dem Rest der Welt? Womöglich in der Gelassenheit.
Es würde in Grönland nicht ‹ge-ellbögelt› oder herumgeschrien. Insbesondere im Vergleich zu Donald Trump sei das eine sehr andere Mentalität des Kommunizierens. Und Birgitta Kammann Danielsen, die seit 2007 in Grönland lebt, meint: «Die Leute nehmen die Dinge, wie sie kommen. Es herrsche eine gewisse Ruhe und Gelassenheit.» Aber klar gebe es auch in Grönland Leute, die sich in diesen Tagen sorgen würden.
Doch etwas hätten alle «Kalaallit», wie sich die Grönländerinnen selbst nennen, gemein. Das aktuelle Interesse an ihrer Insel stärke den Wunsch nach Selbstständigkeit, so die Auswanderin. Grönland ist nicht zu kaufen und möchte kein geopolitischer Spielball sein.