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Gezerre um Arktisinsel Kann Trump mal eben Grönland kaufen?

Der designierte US-Präsident erhebt Ansprüche auf Grönland und droht sogar mit einem militärischen Eingreifen. Löst das Recht des Stärkeren das Völkerrecht ab?

Unser Volk ist dazu bestimmt, Wellen gen Norden loszuschlagen, um die Eisbarrieren zu brechen und an den Ufern des Pazifiks die Zivilisationen des Orients zu treffen.
Autor: James Buchanan US-Aussenminister im Jahr 1848

Am 30. März 1867 unterschreiben der Aussenminister der Vereinigten Staaten, William H. Seward, und der russische Gesandte Eduard von Stockl in Washington einen Vertrag, der die Landmasse der Vereinigten Staaten um ein Gebiet so gross wie Mitteleuropa erweitern sollte.

Der Kaufpreis für das damalige Russisch-Amerika: 7.2 Millionen US-Dollar, was inzwischen rund 140 Millionen wären. Heute ist Alaska von grösster Bedeutung für die USA. Das Gebiet verfügt über gewaltige Ölvorkommen, Gold und Fischgründe und öffnet den Amerikanern das Tor zur Arktis.

Darum stimmte Zar Alexander II. dem Verkauf zu

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Historische Zeichnung einer russischen Expedition nach Alaska aus den 1820er-Jahren.
Legende: Historische Zeichnung einer russischen Expedition nach Alaska aus den 1820er-Jahren. Getty Images/Heritage Art

Beim Entscheid, Russisch-Amerika an die USA abzutreten, spielten wirtschaftliche und machtpolitische Überlegungen mit. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte das russische Zarenreich seine Kräfte zu sehr überdehnt, um dem unwirtlichen Gebiet etwas abzutrotzen, das über 6000 Kilometer entfernt von St. Petersburg lag.

Zudem wollte Russland mit dem Verkauf Alaskas an die USA die Ambitionen seines Erzrivalen Grossbritannien in der nördlichen Pazifikregion zurückbinden. Die Vereinigten Staaten etablierten sich erst Ende des 19. Jahrhunderts endgültig als politische und wirtschaftliche Grossmacht und galten dem Zarenreich als weniger gefährlich im weltpolitischen Ränkespiel.

Über 150 Jahre später blicken die USA erneut hoch in den Norden. Oder zumindest der designierte US-Präsident Donald Trump:

Für unsere nationale Sicherheit und den Frieden in der Welt ist es eine absolute Notwendigkeit, dass wir Grönland kontrollieren.
Autor: Donald Trump Am 22.12. 2024 auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social

Schon während seiner ersten Amtszeit bekundete Trump sein «Interesse» an Grönland. Nun ist es ihm offenbar ernster denn je: Er will Dänemark das riesige Territorium entreissen. Der «Dealmaker» wittert offenbar ein Geschäft, das für die USA ähnlich lukrativ werden könnte wie der Kauf von Alaska.

Eispanzer auf Grönland.
Legende: Grönland ist reich an Bodenschätzen und verfügt über Öl, Gas, Uran, Diamanten und seltene Erden. Diese befinden sich vor allem unter dem gewaltigen Eispanzer der Insel, der durch den Klimawandel zusehends abschmilzt. Reuters/Sean Gallup

Aber können die USA im 21. Jahrhundert einfach so die grösste Insel der Welt kaufen? Die Antwort: ein klares Jein. «Das Völkerrecht ermöglicht grundsätzlich einen Landkauf», sagt die Juristin Anna Petrig. Dabei gebe es aber gewisse Spielregeln, fügt die Professorin für Völkerrecht an der Universität Basel an.

Kaufvertrag mit Dänemark – Referendum in Grönland

Vor dem Zweiten Weltkrieg waren Landkäufe ohne Einbezug der Bevölkerung völkerrechtlich noch möglich. So etwa, als die USA Territorium von Frankreich und Spanien erwarben, aus denen Bundesstaaten wie Kalifornien, Florida, New Mexico und Louisiana wurden. Oder eben Alaska.

Seither regelt das Völkerrecht aber nicht mehr nur die Beziehungen zwischen den Staaten, sondern spricht auch der Bevölkerung Rechte zu – darunter das Recht auf Selbstbestimmung. «Kraft dieses Rechts können Menschen selber über ihren politischen Status bestimmen und ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung frei verfolgen», sagt Petrig.

Kopenhagen und Washington können sich also nicht einfach auf einen Kaufpreis einigen und über die Köpfe der Menschen auf Grönland hinweg entscheiden. Die dortige Bevölkerung muss eingebunden werden, zumal ihr Dänemark weitgehende Autonomierechte zugesteht. Klassischerweise könnte dies über ein Referendum auf der selbstverwalteten Insel geschehen.

Kinder spielen Fussball auf Grönland.
Legende: Auf der dünn besiedelten Insel leben heute etwa 56'000 Menschen – und diese müssten dem Kauf zustimmen. «Schliesslich macht es für sie einen grossen Unterschied, ob sie künftig im Gebiet der USA oder Dänemarks leben», sagt Petrig. Getty Images/Sean Gallup

Der grönländische Premierminister Múte Egede stellte bereits klar: «Wir werden niemals zum Verkauf stehen.» Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen äusserte sich wortgleich und ergänzte, nur Grönland könne über seine Zukunft entscheiden.

Historisches US-Interesse am Kauf Grönlands

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Harry Truman bei einer öffentlichen Rede 1952 in Cleveland.
Legende: Der damalige US-Präsident Harry Truman bei einer Rede 1952 in Cleveland. Getty Images/Archiv

Amerikanische Pläne für den Kauf Grönlands lassen sich bis 1867 zurückverfolgen, als die USA den Russen Alaska abkauften. Das Ziel war auch, Kanada zurückzubinden, das damals zur britischen Krone gehörte. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts argumentierte Washington vor allem mit der nationalen Sicherheit: Die Insel im Nordatlantik sollte im Falle des Angriffs einer europäischen Grossmacht als Bollwerk dienen.

Im Zweiten Weltkrieg besetzten die USA Grönland, um zu verhindern, dass es in die Hände von Nazi-Deutschland fiel, das damals Dänemark besetzt hielt. Nach dem Krieg lehnte Kopenhagen ein Kaufangebot des damaligen US-Präsidenten Harry Truman in Höhe von 100 Millionen US-Dollar ab. US-Streitkräfte blieben aber auch nach dem Krieg auf Grönland stationiert.

Seit der Gründung der Nato im Jahr 1949, der Dänemark und die USA direkt beitraten, unterhält Washington Militärbasen auf Grönland und geniesst durch ein Abkommen mit Dänemark weitrechende Rechte zur Verteidigung der Insel.

Völkerrechtlich stellen sich Trump also grosse Hindernisse in den Weg: Dänemark muss einem Verkauf zustimmen und die Menschen in Grönland ihrer Angliederung an die USA.

Hält sich Trump an die «Spielregeln»?

Ganz offensichtlich möchte Trump der Regierung in Kopenhagen aber ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen kann. So liess der künftige US-Präsident durchblicken, dass auch ein militärisches Eingreifen eine Option wäre, um sich Grönland einzuverleiben.

Das wäre jedoch völkerrechtswidrig. «Ein Vertrag, der aufgrund militärischen Drucks zustande kommt, ist ungültig», sagt Petrig. «Genauso wie eine Annexion, also ein Gebietserwerb durch militärische Gewalt.» Ob das Völkerrecht für Trump Verpflichtung oder Papiertiger ist, ist aber eine andere Frage.

SRF 4 News, 10.01.2025, 17:15 Uhr ; 

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