In der Schweiz stecken sich immer mehr Menschen mit Krätze an. Krätze, auch Skabies genannt, ist ein Parasitenbefall der Haut, der durch Milben verursacht wird. Die Milben graben kleine Kanäle in die obersten Hautschichten. Sie scheiden Kot aus, der zu starkem Juckreiz führt. Dermatologe Martin Theiler vom Universitätskinderspital Zürich über die Zunahme.
SRF: Fälle von Krätzmilben häufen sich in der Schweiz. Wie verbreitet ist Krätze in der Schweiz?
Martin Theiler: Es gibt leider keine verlässlichen Zahlen, weil es keine Meldepflicht gibt. Das gilt für verschiedene Infektionen in der Schweiz. Wir sehen aber eine eindeutige Zunahme während den letzten fünf bis zehn Jahren. Wir sehen immer wieder Ausbrüche zum Beispiel in Kitas. Wir rechnen mit Tausenden Fällen schweizweit, aber wir wissen es nicht genau.
Bräuchte eine Meldepflicht?
Eine Meldepflicht ist aufwendig. Jede Institution wäre verpflichtet, Fälle zu melden. Es müsste ein Meldewesen und ein Register geben. Meines Wissens ist das im Moment nicht vorgesehen.
Wie sieht die Therapie aus?
In der Schweiz sind sowohl Cremes als auch Tabletten verfügbar. Früher verwendete man hauptsächlich Cremes, aber über die letzten Jahre hat man eindeutig Wirkungsverluste beobachtet. Studien bestätigen das. Heute behandeln wir meist mit Cremes, kombiniert mit Tabletten. Wichtig ist, dass wir alle Betroffenen behandeln, auch die, die keine Symptome haben, wie Familienmitglieder, die engen Kontakt hatten. Nach ungefähr einer Woche bis zehn Tagen wiederholen wir die Behandlung.
Wenn die Haut stark entzündet und offen ist, gibt es die Gefahr, dass man sich mit anderen Bakterien infiziert.
Bezahlt die Krankenkasse die Tabletten?
Nein. Das Mittel heisst Ivermectin. Es ist in der Schweiz zugelassen für Skabies, aber es ist aber nicht auf der Spezialitätenliste. Das bedeutet, dass die Krankenkassen nicht verpflichtet sind, es zu bezahlen. Aber es ist in der Schweiz verfügbar.
Ist Krätze gefährlich?
Wenn die Haut stark entzündet und offen ist, gibt es die Gefahr, dass man sich mit anderen Bakterien infiziert. Dann könnte es zu einer Superinfektion kommen. Aber grundsätzlich ist Krätze nicht gefährlich.
Es gibt noch viele offene Fragen.
Wie verbreitet ist das Wissen unter Ärztinnen und Ärzten?
Wir müssen uns notgedrungen mehr damit auseinandersetzen, weil es eine Zunahme gibt. In der Dermatologie beobachten wir aktuell viele Fälle und es gibt auch immer wieder Fortbildungsveranstaltungen. Aber bis vor zehn Jahren hat man selten Fälle gesehen, besonders als Allgemeinmediziner. Das Wissen war begrenzt, aber es nimmt sehr zu.
Woher kommt die Krätze?
Es gibt noch viele offene Fragen. Wir wissen, dass besonders die Ballungszentren betroffen sind. In Winterthur gab es viele Fälle, auch in der Stadt Zürich, Genf oder St. Gallen sind Fälle bekannt. Wir vom Kinderspital haben am meisten mit Kitas, Schulen, Asylzentren und Einzelausbrüchen zu tun. Wie die Situation bei Pflegeheimen ist, kann ich aus eigener Erfahrung nicht sagen.
Wie lange dauert eine Erkrankung?
Wenn man es direkt merkt und nach zweimal behandeln alle Milben tot sind, ist es nach zwei Wochen vorbei. Dann bleibt oft noch milder Juckreiz, der ein paar Wochen anhalten kann. Aber während der Therapie muss man nicht zu Hause bleiben, man kann als Erwachsener normal funktionieren und zur Arbeit gehen. Man sollte Orte meiden, wo man engen, körperlichen Kontakt hat und idealerweise schickt man die Kinder nicht in die Kita.
Das Gespräch führte Jürg Oehninger.