ChatGPT ist derzeit in aller Munde: Der Chat-Roboter der Firma OpenAI kann innert kürzester Zeit sinnvolle Antworten auf komplexe Fragen geben, Gedichte und Songtexte schreiben und andere Aufgaben lösen.
Schulen und Universitäten fordern Regeln für ChatGPT – weil sonst die Gefahr besteht, dass sich Studierende ganze Vorträge und Seminararbeiten von der künstlichen Intelligenz schreiben lassen. Umgekehrt wird ChatGPT auch bejubelt: Als grossartige Innovation, die das Leben in vielen Bereichen erleichtert.
Ein Chat-Roboter mit guten Manieren
Was an ChatGPT besonders ist: Im Gegensatz zu früheren Chat-Robotern, die auch ausfällig und diskriminierend werden konnten, bleibt ChatGPT stets respektvoll. Das hat damit zu tun, dass dem Roboter ganz gezielt beigebracht wird, was Hass und Gewalt sind.
Das Problem: Es sind Menschen – in der Regel schlecht bezahlte Arbeitskräfte aus dem globalen Süden –, die dem Chat-Roboter das beibringen. Dafür müssen sie Tausende Schilderungen von sexualisierter Gewalt, Übergriffen, Hatespeech, Rassismus und Sexismus lesen – mit teilweise fatalen Folgen für die psychische Gesundheit, wie eine Recherche des «Time Magazine» ergab. Ein Mitarbeiter bezeichnete die Arbeit als «Folter». Verdient hat er nicht mehr als eine Putzkraft oder ein Gärtner, psychologische Unterstützung gab es keine.
SRF-Korrespondentin wurde gefragt, ob sie künstliche Intelligenz trainieren möchte
Die Firma Sama, die für das Training von ChatGPT zuständig war, hat den Vertrag mit der Firma OpenAI mittlerweile aufgelöst. Grosse Wellen hat das in Kenia keine geschlagen, sagt SRF-Afrika-Korrespondentin Anna Lemmenmeier: «Es sind 200 Menschen, die ihre Stelle verlieren. Das ist nicht sehr viel, wenn man bedenkt, dass in Kenia etwa 24 Millionen Menschen im arbeitsfähigen Alter sind.»
Viele Unternehmen verkaufen ihre KI-Systeme so, als würde die Maschine wie von Zauberhand alles selber machen. Dabei braucht es im Hintergrund immer noch sehr viele Menschen.
Sie selbst sei auf LinkedIn auch einmal angefragt worden, ob sie als deutschsprachige Person in Kenia eine künstliche Intelligenz trainieren möchte: «Die Firmen haben ihren Standort meist nicht in Kenia, schreiben dann aber die Menschen hier an. Das läuft alles online», sagt Lemmenmeier.
Künstliche Intelligenz: «Technologie der Mächtigen»
Gibt es eine Möglichkeit, dass man die Chat-Roboter trainieren kann, ohne dass die Menschen verstörende Inhalte lesen müssen? Jürg Tschirren von der SRF-Digitalredaktion bezweifelt das: «Viele Unternehmen verkaufen ihre KI-Systeme so, als würde die Maschine wie von Zauberhand alles selber machen. Dabei braucht es im Hintergrund immer noch sehr viele Menschen.»
Und das sind oft Arbeitskräfte in Billiglohn-Ländern, die auf den Job angewiesen sind, um ihre Familie zu ernähren. Technik-Ethikerinnen wie Meredith Whittaker weisen seit Jahren auf diese Problematik hin: «Künstliche Intelligenz ist eine Technologie der Mächtigen.»