Es brutzelt und zischt allenthalben – die Grillsaison hat begonnen. Bei den meisten liegen tierische Produkte auf dem Rost. Auch wenn der Anteil derer, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, stetig zunimmt: Fleisch bleibt für die grosse Mehrheit unverzichtbar.
Dass wir ein Volk von Fleischesserinnen und Fleischessern sind, widerspiegelt auch unsere Sprache. Der Fleischkonsum und die Zubereitung von tierischer Nahrung findet sich in vielen Redewendungen.
Viele alte Redewendungen
Wer den Braten riecht, kann etwas erahnen, was er oder sie nicht sieht. Bereits der römische Dichter Horaz roch ihn (lateinisch «nasum nidore supinor»). Martin Luther machte den Ausdruck vor 500 Jahren im deutschen Sprachraum bekannt.
Die Redewendung mit jemandem ein Hühnchen zu rupfen haben ist in dieser Form seit 200 Jahren schriftlich belegt. Aber rupfen bedeutete schon im Mittelalter 'jemanden tadeln, schelten' – schliesslich ist das Hühnerrupfen eine eher grobe Tätigkeit.
Spiegel der Esskultur
Offensichtlich spielte der Fleischkonsum in der Kultur von Adel, Klerus und Bürgertum über Jahrhunderte eine grosse Rolle. Denn sie waren es, welche bis vor 100 Jahren die Sprache prägten. Dass die breite Bevölkerung bis ins 20. Jahrhundert mangels Finanzen nur selten Fleisch ass, lässt sich an der Sprache darum nicht ablesen.
Doch die allmähliche Popularisierung des täglichen Fleischkonsums führte zu vielen weiteren Redewendungen. So prägte etwa der ungarische Politiker Zoltán Pfeiffer Ende der 1940er-Jahre den Begriff Salamitaktik. Er kritisierte damit das Vorgehen der Sowjetunion, um Schritt für Schritt (quasi Salamirädchen für Salamirädchen) die Macht in Ungarn zu übernehmen. Ab den 1960er-Jahren etablierte sich der Begriff Salamitaktik auch im deutschsprachigen Raum.
Der Ausdruck Speckgürtel für die Agglomeration einer Stadt entstand Ende der 1980er-Jahre. Er bezieht sich wohl darauf, dass in den Agglomerationen viele Menschen leben, die im Stadtzentrum arbeiten, ihre Steuern aber in der Agglomeration bezahlen, die dadurch reich, also fett wie Speck werden.
Kritik an der Fleisch-Sprache
Metaphern wie Salamitaktik oder Speckgürtel sind nur möglich, weil wir wissen, wie Salami gegessen wird bzw. dass Speck einen hohen Fettanteil aufweist. Unsere Lebenswelt schlägt sich also in der Sprache nieder.
Aber auch das Umgekehrte trifft zu: Die Sprache beeinflusst unser Denken und Handeln, das ist wissenschaftlich belegt. Der Metaphernforscher Hugo Caviola von der Universität Bern plädiert darum im Hinblick auf eine ökologischere Ernährung dafür, Fleischmetaphern zu vermeiden. Statt das ist mir Wurst könne man zum Beispiel sagen das ist mir egal. «Wer sich mit Fleischbildern verständigt, nutzt und bestärkt hintergründig die Geltung des Fleisches als Bezugsgrösse. Selbst Fleisch zu essen, ist dazu gar nicht nötig», schreibt Caviola.
Aber ob wirklich mehr Fleisch gegessen wird, weil es in vielen Redewendungen vorkommt, ist fraglich. Die von Hugo Caviola behauptete «fleischbestärkende Wirkung» von entsprechenden Metaphern dürfte eher gering sein. Mehr Einfluss als ein Wandel in der Sprache hat sicher eine Verhaltensänderung – ein Blumenkohl-Steak auf dem Grill statt eines vom Rind oder vom Schwein. Aber die eine Veränderung schliesst die andere ja nicht aus.