Sekretärin sollte sie werden. Das erwarteten Marianne Arthos Eltern, als sie in den 60er-Jahren die Matur abschloss. Es war die klassische Lehre für eine Frau. Sie wollte lieber studieren. Etwas mit Mathematik, Physik oder Chemie. Damals unmöglich: «Meine Brüder durften studieren, aber als Mädchen gehörte sich das nicht», erzählt Artho.
Ihr Bruder studierte damals Mathematik. Er erzählte ihr von einer grossen Maschine in seiner Uni. Hier lernten Wissenschaftler eine sogenannte Programmiersprache. «Das ist die Zukunft. Hier wärst du daheim», sagte er ihr. Bei der IBM Basel wurden dringend Programmierer gesucht. Ihr Bruder motivierte sie schliesslich, sich dort vorzustellen.
Programmiererin statt Sekretärin
Marianne Artho rief bei der IBM Basel an und wurde direkt eingeladen. Beim Gespräch fragte man sie, an welchem Beruf sie denn Interesse hätte. Etwa Sekretärin? Doch Artho schüttelte den Kopf. Programmieren wolle sie. «Dem Mann fielen fast die Augen aus dem Kopf», sagt Artho und lacht. Das ist nicht möglich, sagte er: «Frauen können nicht logisch denken.» Doch sie konnte ihn überzeugen und er liess sie einen Intelligenztest ausfüllen.
Nach einer Stunde kam der Herr wieder in den Raum und fragte Artho, ob sie schon fertig war. «Ich sagte ihm, dass ich schon längst mit dem Test durch war.» Er nahm den Fragebogen mit – und platzte kurz darauf wieder ins Zimmer: «Wann können Sie anfangen?»
Eine Maschine so gross wie ein Kleiderschrank
So fing Marianne Artho bei IBM Basel als Programmiererin an – als erste Frau in der Schweiz. Damals gab es den Beruf Programmiererin noch gar nicht. Bei der IBM Basel suchte man nach Personal, das man ausbilden konnte. Sie hatten bereits eine Maschine, einen sogenannten Computer: IBM 14.01. Damals der neuste Rechner, so gross wie ein Kleiderschrank.
IBM Basel schickte einen Mitarbeiter in die USA, der dort das Programmieren lernte. Nach vier Wochen kam er zurück und bildete sechs Leute aus, darunter auch Marianne Artho. Die erste richtige Ausbildung gab es 1972. Zu diesem Zeitpunkt hatte Artho bereits zehn Jahre lang als Programmiererin gearbeitet.
Das Programmieren war damals um einiges handfester als heute. Man sass nicht vor einem Bildschirm, sondern an einem Pult mit Papier und Stift. In den 1960er-Jahren schrieb man Codes von Hand. Den Code übertrug man auf eine Lochkarte. Auf der Karte war sozusagen eine kleine Textdatei, mit der man dem Computer mitteilen konnte, was er machen soll. Man musste erst das ganze Programm schreiben und hat erst am Schluss erfahren, ob alles richtig war. Dafür musste man bei einem Operator einen Termin buchen. Einen Zeitraum, in der man die Maschine nutzen durfte.
40 Franken für eine Minute Rechenzeit
Viele Programmierer arbeiteten damals in der Nacht, weil es einfacher war, Rechenzeit zu bekommen. «Wir wussten nie, wie lange es dauert. Ein Tag oder drei Tage?», erzählt Artho. Am Tag wurde die Rechenzeit für Kunden benötigt. Damals kostete eine Sekunde 65 Rappen und eine Minute 40 Franken. Unvorstellbar, wenn man heute das Handy eine Minute in der Hand halten würde und dafür 40 Franken zahlen müsste. Es war eine komplett andere Welt.
Marianne Arthos Welt. Bis zu ihrer Pension arbeitete sie als Programmiererin. Und auch heute, mit 83 Jahren, programmiert sie noch. Jeden Tag, wie sie selbst sagte: «Ich brauche das.»