Unsere Mundart hat bald mehr englische als deutsche Wörter. Dieses Gefühl beschleicht einen jedenfalls, wenn man Jugendlichen zuhört oder sich bewusst auf seine eigene Sprache achtet. Die Wortwahl hängt natürlich vom Jahrgang ab. Aber Anglizismen benutzen heute die Kids genauso wie ihre Grosseltern. Wie kommt es?
Englische Ausdrücke, eigenartige Pluralformen oder Germanismen: Der schöne Schweizer Dialekt geht bachab. Wie schlimm steht es um unsere Sprache? Nadia Zollinger ist besorgt, doch SRF-Dialektforscher Markus Gasser sieht die ganze Sache lockerer.
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Neue Wörter aus der digitalen Welt
Die neuen Gadgets und Umgangsformen der digitalen Gesellschaft bringen neue, grundsätzlich englische Wörter mit sich. Wollen wir weiterhin in unserer Mundart über alles reden können, müssen wir diese sogenannten Neologismen übernehmen. Alles einzudeutschen ist in Zeiten der weltumspannenden Kommunikation nicht mehr praktikabel.
Nur: Dass wir «säiligumpe» durch «rope skipping» und «Klimmzug» durch «Pull-up» ersetzen, ist eigentlich unnötig. Aber diese englischen Ausdrücke verwandeln halt den Hobbyturner in einen Fitnessprofi und machen ihn zum Mitglied der «global community» der Fitnesswelt.
Englische Begriffe ergänzen Mundartwörter
Viele Anglizismen ersetzen nicht einfach alte Mundartwörter, sondern ergänzen sie und verfeinern unseren Wortschatz. Ein «Bike» zum Beispiel ist nicht dasselbe wie ein «Velo», denn ein «Bike» hat einfach kein Blumenkörbchen an der Lenkstange. Es ist schliesslich ein Sportgerät!
Aus Anglizismen entstehen neue Mundartwörter
Anglizismen, die länger bleiben, werden in aller Regel ans Schweizerdeutsche angepasst und integriert. Dass «schutte» und «Gooli» eigentlich englische Wörter sind, merkt man fast nicht mehr. Und wenn wir «compjüterle», «foode» oder «jöbble» sagen, dann passen wir englische Wörter der schweizerdeutschen Art an, Verben zu bilden. Mit Anglizismen werden also neue Mundartwörter gebildet.
Rund 3,5 Prozent Anglizismen im Deutschen
Wie schlimm ist es denn objektiv gesehen mit den Anglizismen im Deutschen? Die Zahlen widerlegen das Gefühl: Verschiedene Untersuchungen kommen auf einen Anglizismenanteil von ungefähr 3,5 Prozent. Mehr nicht. Der Rechtschreibduden von 1880 hatte 1,86 Prozent Anglizismen. Das macht in 140 Jahren zwar ungefähr eine Verdoppelung, aber auf einem überraschend tiefen und recht stabilen Niveau.
Fach- und Jugendsprache mit vielen englischen Wörtern
Die verbreitete Fehleinschätzung hat verschiedene Gründe. Einige prominente Fachbereiche enthalten auffallend viele Anglizismen, etwa die Sprache der Ökonomen oder die Sprache der digitalen Welt. Auch die «Fitnesssprache» ist eine Art Fachsprache. Aus diesen Sprachvarietäten gelangen aber nur wenige englische Wörter in den allgemeinen Sprachgebrauch.
Auch die Jugendsprache wird gerne als Einfallstor für Anglizismen kritisiert. Dabei ist sie äusserst flüchtig und in permanentem Wandel. «Gent (tschent)» war in den 1930er-Jahren ein jugendliches Modewort und konkurrenzierte das mundartliche «lässig». Später wurde es durch «cool» und «geil» ersetzt und jetzt gerade gilt «nice» als hip.
Das zeigt: Gerade in der Jugendsprache werden immer wieder dieselben «Gesprächseinheiten» ersetzt und neu kreiert, etwa Begrüssungsformeln («hi», «see you!»), emotionale Ausrufe («what?», «yeah!») oder Wörter für «gut» und «schlecht». Entsprechend veralten solche Wörter schnell und verschwinden wieder.