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Morgengast Thomas Knellwolf zum Spionageplatz Schweiz
Aus Morgengast vom 15.10.2024. Bild: zVg/Wörterseh Verlag
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Spionage in der Schweiz Die Schweiz – ein Paradies für Spione

Ob China, USA, Russland, Türkei oder der Iran – für sie alle ist die Schweiz ein Tummelfeld für Spionage.

Ausgerechnet die kleine Schweiz ist ein Paradies für Spione aus aller Welt. Agentinnen und Agenten kommen aus unterschiedlichsten Gründen in unser Land. Sie interessieren sich für die Pharmaindustrie, für internationale Organisationen, den Rohstoffhandel und vieles mehr. Doch bisher weist die Schweiz Spioninnen und Spione nur selten aus.

Die Schweiz mache es ausländischen Geheimdiensten und ihren Agentinnen und Agenten relativ einfach, sagt der Journalist Thomas Knellwolf. Zehn Jahre hat er für sein neustes Buch «Enttarnt – die grössten Spionagefälle der Schweiz» recherchiert.

Uno in Genf mit vielen Flaggen im Vordergrund.
Legende: Die Uno in Genf – ein Hotspot für Spionage. Keystone/

Ein Fall aus jüngster Zeit führt ins Berner Oberland. Nach Meiringen ins Hotel Rössli, das eine chinesische Spionagefamilie gekauft haben soll. Man vermutet, dass es sich hier um einen auf lange Jahre angelegte Operation vom chinesischen Nachrichtendienst handle, sagt Thomas Knellwolf.

Im Visier: der neue Schweizer Kampfjet F35, amerikanischer Herkunft. Diesen Kampfjet versuche China seit Jahren auszuforschen. So nah wie beim Hotel Rössli, das direkt am Rollfeld des Militärflugplatzes steht, kommt man nirgends an den Kampfjet heran. Deshalb vermutet man, dass Chinesen das Hotel gekauft haben. Diese seien jetzt aber weggeschickt worden.

Mit der Schweizer Spionageabwehr machen wir es den ausländischen Agentinnen und Agenten wirklich einfach.
Autor: Thomas Knellwolf Journalist und Buchautor

Nebst China sind es Länder wie Russland, USA, Türkei und Iran, die in der Schweiz aktiv sind, sagt Knellwolf: «Mit der Schweizer Spionageabwehr machen wir es den ausländischen Agentinnen und Agenten wirklich einfach.» In der Schweiz gebe es rund 50 Leute, die sich professionell mit Spionageabwehr beschäftigen, zum Teil in Teilzeit. Andererseits habe allein Russland mehr Agentinnen und Agenten undercover als Diplomaten in Bern, Genf oder Zürich stationiert.

Über Thomas Knellwolf

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Legende: zVg Wörterseh-Verlag

Thomas Knellwolf, geb. 1973, lebt in Zürich. Nach seinem Lizenziat in Geschichte war er für verschiedene Medien tätig, ehe er sich 2006 als Korrespondent beim «Tages-Anzeiger» anstellen liess. Nach drei Jahren wechselte er ins Reporterteam und leitete später das Tamedia-Recherchedesk. Seit 2021 arbeitet er für den «Tages-Anzeiger» als Bundeshaus-Korrespondent mit Schwerpunkt Justiz und Nachrichtendienst. Thomas Knellwolf ist Autor des Buches «Die Akte Kachelmann» (Orell Füssli) und Co-Autor des bei Wörterseh erschienenen Bestsellers «Lockdown». Sein eben erschienenes Buch «Enttarnt – die grössten Spionagefälle der Schweiz» kam ebenfalls beim Wörterseh-Verlag heraus.

In seinem jüngsten Lagebericht bestätigt der Schweizer Nachrichtendienst die Problematik. Da steht:

Von den rund 220 Personen, die an den russischen Vertretungen in Genf und Bern akkredidiert sind, ist sehr wahrscheinlich nach wie vor mindestens ein Drittel für die russischen Nachrichtendienste tätig.
Autor: Schweizer Nachrichtendienst NDB

Russland habe die Spionagetätigkeit in der Schweiz jüngst noch verstärkt, sagt der Experte Adrian Hänni, Dozent am Institut für Zeitgeschichte in München gegenüber «10vor10» im Mai.

Video
Wer in der Schweiz spioniert wird nun ausgewiesen
Aus 10 vor 10 vom 27.05.2024.
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James Bond prägt das Agentenbild

Die Schweizer Spionagegeschichte sei sehr männerlastig, sagt Thomas Knellwolf. In seinem Buch kämen zwei, drei Frauen vor und ein paar Dutzend Männer. Das hänge damit zusammen, dass Frauen weniger auffallen.

Mann fotografiert aus einem Gebüsch hinaus.
Legende: James Bond hat das Bild geprägt, dass Spione männlich sind. plainpicture/brabanski

Alle hätten James Bond vor Augen und stellen sich einen Mann in der Agentenrolle vor und nicht unbedingt eine Frau. Knellwolf geht davon aus, dass Frauen besser durchschlüpfen.

Der Bundesrat sagt, wir können nicht auswählen, wer bei den internationalen Organisationen in die Schweiz kommt. Wir müssen nehmen, wer kommt.
Autor: Thomas Knellwolf Journalist und Buchautor

Auf die Gründe angesprochen, weshalb die Schweiz ein beliebtes Tummelfeld für Spionage ist, bringt Knellwolf die Neutralität zur Sprache. «Der Bundesrat sagt, wir können nicht auswählen, wer bei den internationalen Organisationen in die Schweiz kommt. Wir müssen nehmen, wer kommt.» Diese Politik sei jedoch stark umstritten.

Blick in den Ständerat.
Legende: Der Ständerat hat Ende Mai einem Vorstoss zugestimmt, dass enttarnte Spione konsequent des Landes verwiesen werden. SRF/Screen

National- und Ständerat machen jetzt auch Druck und wollen, dass sich das ändert. In der Schweiz enttarnte Spioninnen und Spione sollen sofort ausgewiesen werden. Andere europäische Länder tun dies bereits, wie im Lagebericht des NDB zu lesen ist:

Es wurden zahlreiche russische, als Diplomaten getarnte Nachrichtendienstangehörige ausgewiesen. In der Schweiz blieb ihre Anzahl hingegen stabil.
Autor: Schweizer Nachrichtendienst NDB

Gefährdete Minderheiten 

Gehört man einer Minderheit an, müsse man schon aufpassen, sagt Thomas Knellwolf. Tibeter, Uiguren oder etwa türkische Oppositionelle seien gefährdet. Es gebe immer wieder Fälle in der Schweiz, zum Beispiel die versuchte Entführung eines türkischen Geschäftsmannes. Die müssten auf der Hut sein, erklärt Knellwolf und ergänzt: «Ich glaube, man sollte das Problem wirklich ernst nehmen.»

Radio SRF 1, 15.10.2024, 07:15 Uhr

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