In San Bernardino Dorf sind Sie möglicherweise noch nie ausgestiegen. Auf dem Weg ins Tessin durchgefahren, sind Sie wahrscheinlich schon des Öfteren. Vom Dorfplatz von San Bernardino startet die Passwanderung – der Wandertipp für den Monat August von SRF-1-Outdoor-Reporter Marcel Hähni.
Hier, in San Bernardino Dorf beginnt die Wanderung und meine Einsicht, was man nicht gesehen hat, sollte man nicht bewerten. Am Südportal des Strassentunnels hinter der A13 versteckt sich ein kleines, hübsches Bergdorf. Kaum verlasse ich das Postauto, ertönt ein herzliches «Buongiorno» aus dem Kiosk an der Ecke. Es ist unüberhörbar – im Dorf wird Italienisch gesprochen.
Und ich stehe tatsächlich hier – auf dem Dorfplatz von San Bernardino.
Die Fahrzeuge verschwinden hinter dem Dorf in den 6.6 Kilometer langen Tunnel oder verlieren sich in den Kurven der Passstrasse. Und ich stehe tatsächlich hier – auf dem Dorfplatz von San Bernardino. Der Wanderweg führt einem rasch in eine hoch gelegene, mystische Moorlandschaft mit spiegelnden Wasserpfützen und von Gletscher geschliffenen Felsbrocken.
Kurz vor dem San-Bernardino-Pass auf 2066 M.ü.M. rückt der malerische Lago Moesola ins Blickfeld. Hier verläuft eine europäische Wasserscheide, von der Wasser in verschiedene Himmelsrichtungen abfliesst. Auch die Sprachgrenze zwischen Deutsch und Italienisch liegt hier.
Die alte Walserroute am San Bernardino
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Bild 1 von 10Legende: San Bernardino – Dorf mit italienischem Flair Das Dorf liegt auf 1608 M.ü.M. im obersten Teil des Misox am Fuss einer der ältesten Alpenpässe. Hier ist auch der Ausgangspunkt der Passwanderung. SRF/Marcel Hähni
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Bild 2 von 10Legende: Kapelle als Namensgeberin Die im Ort gebaute Kapelle zu Ehren des heiligen Bernhardin von Siena oberhalb der Kirche gab im 13. Jahrhundert dem Dorf und dem Pass den Namen San Bernardino. Keystone/Gian Ehrenzeller
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Bild 3 von 10Legende: Rauhe Landschaft Sümpfe, Föhrenwälder, artenreiche Moorflora und der kleine Bergsee Lago Moesola bilden eine einzigartige Atmosphäre. SRF/Marcel Hähni
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Bild 4 von 10Legende: Kühl und neblig Der San-Bernardino-Pass verbindet die Bündner Täler Rheinwald auf der nördlichen und Misox auf der südlichen Seite. Er ist die Alternativ-Nord-Süd-Route zum Gotthard. SRF/Marcel Hähni
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Bild 5 von 10Legende: Die «Steinmandli» am Bernardino Auf der Passhöhe hat es rund um die Wanderwege hunderte von «Steinmandli», die jedes Jahr in den schneefreien Monaten von den Touristen und Wanderern wieder aufgeschichtet werden. SRF/Marcel Hähni
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Bild 6 von 10Legende: Blick aus der Vogelperspektive Laghetto Moesola – der fälschlicherweise auch San Bernardino-See genannte Laghetto ist gut 300 Meter lang und 150 Meter breit. Im See liegen mehrere, bewachsene Inseln. Keystone/Westend61 / Martin Rügner
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Bild 7 von 10Legende: Futurische Gebäude an der Passstrasse Auf der Passhöhe des San Bernardino wird man daran erinnert, dass für den Strassentunnel viele Kilometer Lüftungsschächte in den Berg hineingesprengt wurden. Die Lüftungen stehen wie UFOs in der Landschaft. SRF/Marcel Hähni
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Bild 8 von 10Legende: Militär- und Nationalstrasse Hinterrhein ist das Dorf am Nordeingang des San-Bernardino-Tunnels an der A13. Das Militär unterhält hier unter anderem einen Panzer-Schiessplatz. SRF/ Marcel Hähni
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Bild 9 von 10Legende: Erste Walser-Siedlung in Graubünden Um 1270 kamen die ersten Walser vom Val Formazza über das Misox nach Hinterrhein. Damit wurde Hinterrhein zur ältesten Walsersiedlung in Graubünden. SRF/Marcel Hähni
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Bild 10 von 10Legende: Die «Geissenparade» von Hinterrhein In Hinterrhein werden noch heute die Ziegen auf dem Dorfplatz gesammelt und laufen dann mit dem Hirten hinauf Richtung San Bernardino. Pünktlich am Abend um sechs Uhr treffen Ziegen und Hirte wieder auf dem Dorfplatz ein. SRF/Marcel Hähni
Auf dem Weg Richtung Hinterrhein passiere ich knapp eine Stunde vor dem Ziel eine Ziegenherde, die vergnügt am Wegrand Kräuter frisst. Etwas oberhalb sitzt ein Mann mit Regenmantel, Hut, Stiefeln und einem Buch in der Hand. Es ist, wie ich später im Dorf erfahre, der Hirte.
In Hinterrhein werden noch heute um acht Uhr morgens die Ziegen auf dem Dorfplatz gesammelt. Die Herde läuft dann mit dem Hirten hinauf Richtung San-Bernardino-Pass. Pünktlich am Abend um sechs Uhr treffen die Ziegen und der Hirte wieder auf dem Dorfplatz ein.
Ziegen fressen pro Tag bis zu drei Kilo Gras und Kräuter, wandern mehrere Kilometer durch den Tag und sie mögen die Stille und die Ruhe. Wandern könnte auch ich locker stundenlang. Aber einfach über Stunden still sein? Ich glaube, da würde ich in der Rolle als «Geissenpeter» kläglich scheitern.
Noch ein kleiner Tipp. Bevor man vor der Passhöhe zum Abstieg nach Hinterrhein abzweigen kann, sollte man unbedingt noch einen Abstecher zu den «Steinmandli» auf der Passhöhe machen. Hier türmen sich hunderte von «Steinmandli», die immer wieder in den schneefreien Monaten von Touristen und Wanderern neu aufgehäuft werden.