Wenn ein Baby in Südkorea zur Welt kommt, gilt es bereits als ein Jahr alt – denn die Zeit im Bauch der Mutter zählt auch zum Alter. Und ein Jahr älter wird man nicht am eigenen Geburtstag, sondern zum Neujahrstag. So funktioniert die koreanische Altersberechnung.
Das bedeutet auch: Wenn ein Kind am 31. Dezember geboren wird, ist es bereits ein Jahr alt. Am koreanischen Neujahrestag wird das Kind dann zwei Jahre alt, obwohl es erst vor drei Wochen zur Welt gekommen ist. Der koreanische Neujahrestag wird nach dem chinesischen Mondkalender festgelegt und fällt immer auf den Neumond zwischen dem 21. Januar und dem 20. Februar des gregorianischen Kalenders.
Diese Zählweise soll sich nun ändern. Das Parlament in Seoul hat Gesetze zur Abschaffung der traditionellen Methode verabschiedet. Ab dem 28. Juni werden die Südkoreanerinnen und Südkoreaner also ein bis zwei Jahre jünger.
Verschiedene Zählweisen stiften Verwirrung
«Parlament und Regierung wollen eine Vereinfachung», sagt SRF-Korrespondent Thomas Stalder. In Südkorea würden seit längerem sowohl die koreanische als auch die internationale Zählweise verwendet werden. Das stifte Verwirrung: «Nun müssen die Südkoreanerinnen und Südkoreaner nicht mehr darüber nachdenken, welches Alter sie angeben müssen.» Gemäss Stalder haben Amtsstellen bisher verschiedene Listen mit verschiedenen Altersangaben geführt. Mit der Änderung wolle die Regierung auch Kosten sparen.
Für die Südkoreanerinnen und Südkoreaner ändere sich jedoch wenig: «Im Reisepass steht heute bereits das Geburtsdatum, wie wir es kennen, und die Leute feiern ihren Geburtstag am eigentlichen Geburtstag, und nicht etwa an Neujahr», sagt Stalder.
Beim Thema Alkoholkonsum handhaben es junge Erwachsene aber gerne zu ihren Gunsten und geben gemäss Stalder ihr koreanisches Alter an, in der Hoffnung, früher trinken zu können. In Südkorea darf man erst ab 20 Jahren Alkohol trinken (Ausländerinnen und Ausländer ab 19 Jahren). Auch das werde in Zukunft nicht mehr funktionieren.
Viele begrüssen die Änderung
Die Änderung kommt gemäss SRF-Korrespondent Thomas Stalder beim Grossteil der Bevölkerung gut an: «Verschiedenen Umfragen zeigen, dass vier von fünf Südkoreanerinnen und Südkoreaner für die Änderung sind. Sie finden es einfacher und der eine oder andere ist froh, ein wenig jünger zu werden», sagt er.
Auch Heeja Kim findet die Änderung gut. Sie ist gebürtige Koreanerin und lebt seit 1977 in der Schweiz: «In der Schweiz sagte ich damals jeweils, ich sei 25 Jahre alt, aber ich wusste genau: Sobald ich nach Korea fliege, bin ich 26-jährig.» Heute gelte die traditionelle Zählweise jedoch eher als altmodisch: «Viele junge Leute nutzen sowieso schon ihr internationales Alter.»
Es gibt gemäss Thomas Stalder aber auch Leute, die gegen die Änderung sind: «Viele waren stolz darauf, dass es in Südkorea ein wenig anders ist mit dem Alter.» Auch in anderen asiatischen Ländern habe es früher andere Zählweisen gegeben, die jedoch längst geändert worden seien. Mit der koreanischen Zählweise ist nun auch Schluss, zumindest bei den Behörden und auf den Ämtern.