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Beleidigendes Österreich «Es gibt sogar ein Buch mit Beschimpfungen unter Politikern»

Wenn die «Mumie» dem Mann, den «keiner braucht», den Auftrag gibt, mit dem «geistigen Einzeller» eine Regierung zu bilden, sind wir in der österreichischen Politik angelangt. Alexander Van der Bellen hat sich diese Woche mit Herbert Kickl getroffen. Der österreichische Bundespräsident hat dem Bundesparteiobmann der rechtspopulistischen FPÖ, den Auftrag erteilt, Gespräche mit der ÖVP zu führen, um eine neue Regierung zu bilden.

Politikwissenschaftler Peter Filzmaier erklärt, warum die Beschimpfungen von gestern heute keine Rolle mehr spielen.

Peter Filzmaier

Österreichischer Politologe

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Peter Filzmaier ist Professor für Demokratiestudien und Politikforschung an der Donau-Universität Krems und für Politische Kommunikation an der Karl-Franzens-Universität Graz. Ausserdem fungiert er regelmässig als Polit-Experte im Österreichischen Rundfunk ORF.

Erst die Beleidigungen, nun eine mögliche Zusammenarbeit. Wie soll das funktionieren?

Peter Filzmaier: Es bestätigen sich natürlich Vorurteile gegen die Politik, die, wie man meint, oft zu pauschal sind. Aber hier sind sie richtig. Beispielsweise wird der Politik vorgeworfen, sie lebe nach dem Motto «was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, wenn ich am nächsten Tag das Gegenteil behaupten kann?». Und genau das ist hier der Fall.

Das ist nur mit dem gemeinsamen Interesse an Macht zu erklären.
Autor: Peter Filzmaier Politologe

FPÖ und ÖVP führen jetzt Koalitionsverhandlungen. Das ist schlicht und einfach nur mit dem gemeinsamen Interesse an Macht zu erklären. Inhaltlich sind die Differenzen zwischen den Parteien gar nicht so gross – mit Ausnahme des aussenpolitischen Bereichs.

Wie verbreitet sind solche Beleidigungen in der österreichischen Politik?

Es ist vor vielen Jahren ein Buch dazu erschienen. Dort sind all jene Begriffe aufgelistet, die sich österreichische Politiker gegenseitig an den Kopf geworfen haben und die offiziell stenografiert, also protokolliert wurden.

Das ist ein Lexikon für Schimpfwörter. Jeder kann dort nachlesen, wenn er nicht genug eigene Schimpfwörter kennt.

Inwiefern ist dieser Ton ein Problem?

Natürlich ist dieser Stil der Politik problematisch. Allerdings gibt es ja auch grundsätzliche Fragen. Kritisiert wird beispielsweise nicht nur die Sprache insbesondere der FPÖ, sondern auch deren ideologische Ausrichtung. Die Partei stehe für eine illiberale Demokratie. Beispielsweise bezeichnet Herbert Kickl den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán explizit als Vorbild, das sind wahre Problembereiche.

Aussenansicht des österreichischen Parlamentsgebäudes in Wien
Legende: Aussen hui, innen hin und wieder pfui: im österreichischen Parlamentsgebäude in Wien fallen auch mal scharfe, gar beleidigende Worte. KEYSTONE/Gaetan Bally

Die Abrüstung der Worte wird man zumindest eine Zeit lang schaffen. Aber wie ist es mit den grundsätzlichen Bedenken?

Der Ton in der Politik ist vielerorts scharf. Ist er in Österreich besonders gehässig?

Es gibt keinen Index, der Schimpfwörter in der Politik berechnet und mit anderen Ländern vergleicht. Aber wir haben generell eine Polarisierung der Gesellschaft. Das ist kein rein österreichisches Phänomen. Das erleben wir mit der AfD beispielsweise in Deutschland noch viel stärker, von Donald Trump in den USA gar nicht zu reden.

Österreich war lange eher eine Konsensdemokratie, der politische Kompromiss stand im Vordergrund. Inzwischen hat man auch bei uns das sogenannte «Negative Campaigning», also die Schmutzkübelkampagnen in Wahlkämpfen übernommen.

Das Gespräch führte Luk von Bergen.

Radio SRF 3, 7.1.2025, 6:10 Uhr ; 

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