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Bünzlitum Schweiz Woher kommt eigentlich der Begriff Bünzli?

Aus einem normalen Nachnamen aus dem Züribiet wurde vor rund hundert Jahren ein Synonym für spiessige Personen. Wie es dazu kam und warum die Schweiz noch heute als bünzlige Nation gilt.

Pingelig, engstirnig, pünktlich, korrekt, lärmempfindlich, kleinkariert, vielleicht auch egoistisch – nein, sie klingen nicht gerade schmeichelhaft, die gängigsten Eigenschaften, die man dem klassischen Bünzli zuschreibt.

Mitschuldig daran sind vermutlich der Zürcher Dichter Gottfried Keller und der Bieler Schauspieler Fredy Scheim - mehr dazu später. Ob wir wollen oder nicht: Fakt ist, dass in vielen von uns bünzlige Eigenschaften stecken, über die wir bestenfalls lachen können, wie die Bünzli-Beichten aus der SRF 3-Community zeigen.

Bünzli-Geständnisse aus der SRF 3-Community

Der Name Bünzli stammt ursprünglich aus dem Züribiet. «Er bezeichnete eine Person, die in der Nähe einer ‹Binz›, also eines Sumpfs mit Binsen, wohnte», sagt SRF-Mundartredaktor André Perler.

André Perler

Literaturredaktor

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André Perler hat an der Universität Freiburg i. Ü. Germanistik (mit Schwerpunkt Dialekte) und Geschichte studiert. Seit 2016 ist er Teil der SRF-Mundartredaktion. Auf Radio SRF 1 und SRF Musikwelle beantwortet André vormittags Mundartfragen. Am Donnerstagabend von 20 bis 21 Uhr berichtet er in der Sendung «Dini Mundart» auf Radio SRF 1 im Turnus mit seinen Kollegen der Mundart-Redaktion über Mundartliteratur, neue Dialektwörterbücher oder aktuelle Sprachphänomene. Auf srf1.ch, Facebook und Instagram sind ausserdem seine kurzen «Dini Mundart»-Videos zu sehen.

Eine zweite Erklärung sieht er im Begriff «Punze», einem alten Wort für ein Weinfass. «Demnach wäre der ‹Bünzli› eher eine Person, die etwas dick ist oder viel trinkt.»

Bünzlige Figuren aus Literatur und Theater

Einen ersten Zusammenhang mit der heutigen Bedeutung des «Bünzlis» sieht Perler in Gottfried Kellers Novelle «Die drei gerechten Kammacher» aus dem Jahr 1856. «Darin kommt eine Züs Bünzlin vor, die als sparsam und ordentlich beschrieben wird.»

Poträtbild des Zürcher Dichters Gottfried Keller (1819-1890)
Legende: Gottfried Keller (1819–1890): Seine Figur Züs Bünzlin legte wohl den Grundstein für die Bezeichnung des heutigen Bünzlitums. KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str

Eine Figur, die womöglich Fredi Scheim in den 1920er- und 30er-Jahren zum Bühnencharakter Heiri Bünzli inspirierte, einer Karikatur des biederen Schweizer Kleinbürgers.

«Diese Figur war offenbar so beliebt beim Publikum, dass aus dem Nachnamen eine Bezeichnung für besonders spiessige Personen wurde.»

Die Schweiz als Hochburg des Bünzlitums

Um zu verstehen, warum gerade der Schweiz ein besonders ausgeprägter Bünzli-Ruf vorauseilt, bleiben wir im letzten Jahrhundert. «Der klassische Bünzli entsteht wohl erst in der Zeit der geistigen Landesverteidigung zwischen 1930 und 1940», vermutet Literatur- und Kulturwissenschaftler Boris Previšić.

Ein Soldat hisst an einem 1. August im Zweiten Weltkrieg auf einem Berggipfel eine Schweizer Fahne.
Legende: Mein «Ländli», mein «Fähnli»: ein Soldat der Schweizer Armee hisst während des Zweiten Weltkriegs auf einem Berggipfel eine Fahne. KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str

«Während Nationen wie Deutschland und Italien expandierten, setzte die Schweiz sozusagen auf ein imperiales Gegenprogramm.» Man zog sich zurück und versuchte bestmöglich Ordnung zu halten im eigenen Garten.

Ein Miniaturhaus mit Gartenzwergen und Schweizerfahne auf einer Weide..
Legende: Ein «Hüüsli» mit «Gärtli», «Zwärgli» und auch hier mit «Fähnli»: mehr Schweiz geht nicht. Keystone/SABINA BOBST

Ordnung im eigenen Garten – oder besser: im eigenen «Gärtli». Bewahren, was man hat, fleissig sein, wachsam, unscheinbar, aber schlau. «Hinter der Fassade machte man durchaus grosse Geschäfte», sagt Previšić. Auch das gehört gewissermassen zum geschichtlichen Hintergrund schweizerischen Bünzlitums.

Mit Folgen: «Es gibt heute kaum ein Land, das globalisierter unterwegs ist als die Schweiz.» Etwas vereinfacht formuliert könnte man also sagen, dass der Erfolg der Schweiz durchaus auf bünzligen Eigenschaften fusst.

Wie lebt es sich als Bünzli?

Vom Malergeschäft bis zur Physiotherapie: 134 Einträge findet man im Online-Telefonbuch telsearch.ch zum Namen Bünzli. Eine davon ist Christina Bünzli aus Baden. «Gelitten habe ich nie unter diesem Nachnamen», sagt sie. Aber es habe schon Zeiten gegeben, in denen sie sich einen neutraleren Namen gewünscht hätte.

Zudem müsse sie gerade im Gespräch mit Menschen aus Deutschland stets erklären, dass es sich bei Bünzli nicht bloss um ein Synonym für Spiessbürgertum handle.

Christina Bünzli nimmt ihren Nachnamen mit Humor. «Ich mag Bezeichnungen mit ‹li› am Schluss. Ob Hösli oder Künzli – ich finde das süss.» Und: «Pünktlichkeit und eine gewisse Ordnung sind mir wichtig. Mit zunehmendem Alter werde ich selbst immer bünzliger.»

Radio SRF 3, Morgenshow, 18.3.2025, 8:00 Uhr

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