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Digital Googles Kampf gegen die Internet-Zensur

In China zensiert der Staat das Internet. 2010 wehrte sich Google dagegen und zog sich aus China zurück. SF-Korrespondentin Barbara Lüthi berichtet, was das für die Internet-User in China bedeutet. Im Interview erzählt sie, wie die Internet-Zensur in China ihre Arbeit als Journalistin beeinflusst.

Interview mit Barbara Lüthi

«Wissen & Digital» : Barbara Lüthi, was bedeutet die Internet-Zensur in China für Ihren journalistischen Alltag?

Barbara Lüthi: In China irgendeine nützliche Recherche im Internet zu machen ist eigentlich unmöglich. Viele haben einen VPN-Server installiert, der einen Zugang über ausländische Seiten ermöglicht. Damit kommt man um das «Goldene Schild», also die Firewall, ganz gut herum.

Nutzen alle Journalisten in China dieses System?

Davon gehe ich aus. Bei den chinesischen Journalisten kommt es natürlich darauf an, für wen sie arbeiten. Wer für ein staatliches Medium arbeitet, braucht keinen VPN-Server. Privat umgehen auch viele gebildete, junge Internet-User die Internetsperren. Dass sich das so schnell etabliert hat, ist heute ein Problem der chinesischen Regierung.

Was passiert mit den Leuten, die erwischt werden?

Nicht wegen des VPN-Clients wird man bestraft, sondern eher wegen des Inhalts der besuchten Seiten.

Leben Sie gefährlich?

Nein. Im schlimmsten Fall würde mir das Aussenministerium kein Visum mehr geben. Dort redet man immer von dieser roten Linie, die nicht überschritten werden darf. Das ist so ein undefinierbares Schreckensgespenst. Das viel grössere Problem ist aber die Staatssicherheit, die bei politisch heikeln Themen die Kontorolle über die Journalisten übernimmt: Sie geben dir eine Liste mit Dingen, die du nicht mehr tun oder über die du nicht mehr schrieben darfst, wenn du dein Journalisten-Visum nicht gefährden willst. Da kann es schon mal vorkommen, dass man ins Büro zitiert wird und einem die Leviten gelesen werden.

Korrespondentin Barbara Lüthi

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Barbara Lüthi
Legende: SRF

Barbara Lüthi berichtet seit 2006 für das Schweizer Fernsehen aus China. Für ihre Reportagen gewann sie mehrere Preise. Sie lebt mit ihrer Familie in Peking.

Wie kamen Sie denn an die Internet-Aktivisten dran, die Sie für den «Einstein»-Beitrag interviewt haben?

Die haben ja alle Blogs und sind über Weibo, das chinesische Twitter, gut zu erreichen. Die meisten haben grosses Interesse daran, die Internet-Zensur publik zu machen. Natürlich rede ich mit den Leuten vorher über die möglichen Gefahren. Sie wissen zum Beispiel, dass der Beitrag nur in der Schweiz ausgestrahlt wird. Aber ich rufe etwa eine Woche nach den Interviews trotzdem immer noch mal an, um sicher zu gehen, dass alles ok ist.

Ein Professor für Medienwissenschaft sagt in Ihrem Beitrag, dass Google gut daran tue, gegen die Zensur zu kämpfen, aber eigentlich in China hätte bleiben sollen. Ist das Konsens?

Nein. Ich habe nur eine Stimme gefunden, die wirklich gefunden hat, Google hätte in China weiterkämpfen sollen. Viele finden es einfach gut, dass eine internationale Organisation ein Zeichen gesetzt hat und die Zensur so überhaupt publik gemacht worden ist. Dass Google nun zurück in den chinesischen Markt will, mit seinem Android-System, trifft bei manchen Professoren auf Skepsis.

Bekommt man denn mit, was die chinesische Regierung im Internet zensiert?

Ja, klar. Sobald die Yasmin-Revolution in der arabischen Welt begann, ist das Wort

«Yasmin» zensiert gewesen. Eines der meistgesuchten Wörter in China! Jeder Song, jedes Kinderlied, in dem das Wort vorkommt, war plötzlich verschwunden. «Ägypten» ist zensiert gewesen, gewisse Aspekte des Bo Xilai-Skandals oder der Affäre um den blinden Aktivisten Chen Guangcheng. Da war einfach alles weg, innerhalb von Stunden.

Die chinesische Suchmaschine Baidu ist Googles grösster Konkurrent in China. Begehrt Baidu gegen die Zensur auf?

Nein, das ist ja eine chinesische Firma. Die hätte nichts davon, sie würde nur verlieren. Da ist auch eine ganz andere Ideologie dahinter. Für Baidu ist es nicht falsch, sich nicht zu wehren.

62 Prozent der Chinesen nutzen Baidu. Ist es den Menschen in China also gar nicht wichtig, dass zensiert wird?

Viele wissen ja gar nichts davon! China ist nicht nur Shanghai und Peking mit den Universitäten und gebildeten Studenten. China hat 1,3 Milliarden Einwohner und circa 70 Prozent davon ist Landbevölkerung. Die meisten wissen gar nicht, dass es Zensur gibt. Darum funktioniert es ja.

Google in China

2005: Google China wird gegründet mit Hauptsitz in Peking.

Mai 2009: China blockiert den Zugang zu einigen Google-Services wie Youtube.

Januar 2010: Google macht einen Hacker-Angriff durch die chinesischen Behörden publik. Das Unternehmen verkündet, die staatlich verordnete Zensur bestimmter Seiten nicht länger hinzunehmen.

März 2010: Google leitet alle Anfragen an die chinesische Seite google.cn auf die offene Seite in Hongkong google.com.hk um.

Juni 2012: Google zeigt Nutzern in China an, wenn ihr Suchwort Resultate hervorbringt, die auf blockierte Webseiten verweisen könnten. Gleichzeitig werden alternative Suchbegriffe vorgeschlagen.

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