«Zwei Väter zu haben ist für mich normal, es hat weder Vor- noch Nachteile», macht Natalia della Valle gleich zu Beginn des Gesprächs klar. Die 17-Jährige ist erstaunt darüber, dass die Leute meist automatisch davon ausgingen, dass es etwas Spezielles sein müsse, bei schwulen Eltern aufzuwachsen und dass sie viel darüber zu berichten hätte. Wenn es etwas zu erwähnen gäbe, sagt sie, dann seien es die Reaktionen der Leute.
Viele Menschen haben das Gefühl, nur weil meine Familie anders ist als ihre, hätten sie das Recht, mir extrem persönliche Fragen zu stellen.
Einmal habe sie jemand gefragt, ob ihre Eltern gut zu ihr seien. «Das hat mich total schockiert.» Würde man das jemanden fragen, der eine Mutter und einen Vater hat?
«Gell, du hast deine leibliche Mutter lieber»
Diese Fragerei kennt auch David Friedli. Der 26-Jährige hat zwei Mütter und musste seine Familiensituation ständig erklären und manchmal auch rechtfertigen. Wobei er nur dann wirklich Mühe damit hatte, wenn die Fragenden bereits davon ausgingen, die Antworten zu wissen.
Das hat im Stil von: «Gell, du hast deine leibliche Mutter schon viel lieber.
Oder «welche deiner Mütter ist der Mann in der Familie»? Das fand David Friedli nervig, weil es für ihn nie solche Gedanken gab. Seine Antwort sei dann jeweils gewesen: «Der einzige Mann in der Familie bin ich.»
Ständiges «Comingout»
Natalia ist und war immer stolz auf ihre Familie. «Ich habe gerne erzählt, dass ich einen Daddy und einen Papi habe.» Und doch hätte sie sich manchmal gewünscht, weniger «exklusiv» zu sein. Oft hatte sie den Eindruck, sie müsse sich für ihre Eltern «outen». Es gebe bis heute immer diesen einen Moment, wenn sie in eine neue Klasse oder an einen neuen Arbeitsort komme, wo das Gespräch auf die Familie wechsle «und dann wird alles eröffnet und ist das grosse Ding». Ähnlich beschreibt es David: «Für meine eigene Sexualität als Heteromann musste ich mich nie outen, rechtfertigen oder erklären, aber für meine Mütter schon.»
Familie ist mehr als Vater, Mutter und Kind
Keine Fragen zu stellen, sei aber nicht die Lösung, sind beide überzeugt. Natalia und David sind der Meinung, dass es wichtig ist aufzuklären, um Vorurteile abzubauen. Und doch wäre es schön, würden diese Aufgabe auch andere übernehmen. Oder noch besser, wenn auch Hetero-Lehrpersonen oder Heterofamilien verschiedene Familienmodelle ganz selbstverständlich ins Kinder- und Schulzimmer einfliessen lassen würden.
Wieso nicht einmal eine Rechenaufgabe stellen, in welcher zwei Mütter mit ihrem Sohn in die Ferien fahren. Oder wie wäre es, wenn in der Schule ein Geschenk für den «Elterntag» anstatt den Muttertag vorbereitet würde? Natalia sagt, sie habe zu Beginn manchmal versucht, ihre Lehrpersonen auf solche Dinge aufmerksam zu machen. «Aber, was nützt es, wenn sie es am nächsten Tag bereits wieder vergessen haben?»
Es sind Details, die sich aber doch summieren und letztlich das starre Bild von Familie mit «Mutter, Vater und Kind» zementieren. Dabei gehe es ja nicht nur um sie, ergänzt David. Eine vielfältigere Darstellung der Familie sei auch für all jene wichtig, die aus irgendeinem anderen Grund in einer andere Familiensituation aufwachsen würden. Sein Wunsch sei, meint der 26-Jährige, dass «Anders sein» nicht länger als «schlecht» gewertet wird.
Wie ist es, in einer Regenbogenfamilie aufzuwachsen, erzählen dir Natalia und David in der Hintergrundsendung «Input».
Dem Leben in der Schweiz auf der Spur – mit all seinen Widersprüchen und Fragen. Der Podcast «Input» liefert jede Woche eine Reportage zu den Themen, die Euch bewegen. Am Mittwoch um 15 Uhr als Podcast, sonntags ab 20 Uhr auf Radio SRF 3.
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