1994 bildete eine musikalische Zeitenwende. Nach dem Tod von Kurt Cobain kühlte das Grunge-Fieber merklich ab. Gleichzeitig arbeitete sich in einem Vorort von Los Angeles eine Gruppe von weissen Kids an ähnlichen Themen ab: Auch sie sangen über ihre kaputten Familien, über Mobbing in der Schule und Selbstmordgedanken.
Kurz: die Probleme des Heranwachsens im Amerika der 90er-Jahre. Nichts Neues also. Wäre da nicht dieser grummelnde, düstere Sound. Diese heruntergestimmten Gitarren und Beats, die eigentlich aus dem Hip-Hop stammten. Dazu ein Sänger, der sich flüsternd und kreischend durch die Songs ackert.
Korn: Geburtshelfer des Nu Metal
Die Band nannte sich Korn. Der Sänger Jonathan Davis war ein ehemaliger Leichenbestatter und ihr Debut Album «Korn» gilt als Geburtsstunde des Nu Metal. In der Musik schwang die Schwermut von Nirvana genauso mit wie der Groove des Funk-Metal von Bands wie Faith No More oder den Red Hot Chili Peppers. Aber dieser Sound war trotzdem neu.
Da waren System of a Down, vier armenisch-stämmige Kalifornier, die halsbrecherischen Metal mit osteuropäischer Folklore anreicherten. Oder die düsteren Deftones aus dem benachbarten Sacramento, die mit ihrer emotionalen Wucht und Härte fesselten.
Fünf stilprägende Nu Metal Alben
Mit den chaotischen Slipknot tauchte ausserdem eine neunköpfige Gang auf, die brutaler, entschlossener und unberechenbarer war als jede andere Band der Szene. Mit furchterregenden Masken und einfarbigen Overalls und einem Sound zwischen Rap, Hardcore-Punk und Extreme Metal.
Limp Bizkit: Toxisch männlich
Zur selben Zeit bildete ein Tätowierer namens Fred Durst in Florida eine Band aus lokalen Szenegrössen: Limp Bizkit schafften eine prollige und breitenwirksame Fusion von Rap und Metal – inklusive DJ an den Turntables. Durst war ausserdem bekannt für seine Provokationen.
So stachelte er das Publikum während Limp Bizkits Auftritt bei Woodstock 1999 zu Tumulten an. Das Festival endete in einem Fiasko. Drei Tote, über tausend Verletzte und mehrere Vergewaltigungen. Für Beobachter war dies der Anfang vom Ende von Nu Metal. Die Ausschreitungen des Festivals wurden als Zeichen für die Gewaltbereitschaft und Frauenfeindlichkeit dieses Musikgenres gewertet.
Linkin Park: Zwischen Metal und Pop
Doch die Welle rollte ungeachtet dieser Probleme weiter. Bands wie Papa Roach, Staind, Crazy Town oder Creed eroberten rund um die Jahrtausendwende die Charts. Und niemand war dabei so erfolgreich wie Linkin Park, welche die Möglichkeiten des Genres clever nutzten und aus sanftem Rap, Gesang, Elektronik und Metal griffige Pop-Songs kreierten. Nu Metal war endgültig Mainstream. Das Album «Hybrid Theory» ist bis heute das meistverkaufte Rockalbum des 21. Jahrhunderts.
Limp Bizkit landeten kurz darauf mit dem The Who-Cover «Behind Blue Eyes» einen weichgespülten Radiohit und spätestens als Fred Durst und seine Band den Song bei Wetten, dass..? performten, war Nu Metal auserzählt. Mit dem Suizid des Linkin-Park-Sängers Chester Bennington 2017 schien das Genre endgültig tot. Ob ihr Comeback zu einem Revival von Nu Metal führt, wird sich weisen.