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Eskalation im Nahen Osten Was ist völkerrechtlich im Krieg erlaubt?

Die Meldung sorgte weltweit für Entsetzen: Im Gazastreifen ist ein Spital von einer Rakete getroffen worden. Gemäss dem Gesundheitsministerium in Gaza starben dabei über 400 Menschen. Israel zweifelt diese Zahl an und machte für die fehlgeleitete Rakete die Terrororganisation Islamischer Dschihad im Gazastreifen verantwortlich. Die palästinensische Seite sowie zahlreiche arabische Staaten geben dagegen weiterhin Israel die Schuld. Klar ist: Auch in einem Krieg gibt es Regeln. Wer ein Spital bombardiert, verstösst gegen das humanitäre Völkerrecht.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

SRF: Fredy Gsteiger, welches Recht gilt im Krieg?

Fredy Gsteiger: Zum einen gibt es das Recht auf Krieg. Wer angegriffen wird, hat das Recht, sich zu verteidigen, wie beispielsweise Israel nach dem Angriff der Hamas. Zum anderen gibt es das Recht im Krieg, das humanitäre Völkerrecht, festgelegt in den Genfer Konventionen.

Was ist gemäss dem humanitären Völkerrecht verboten?

Im Wesentlichen geht es darum, Leiden und Schäden zu vermindern. Es geht darum, die Zivilbevölkerung auch in einem Krieg zu schützen. Beispielsweise sind gewisse Waffen, wie Massenvernichtungswaffen, Atomwaffen oder Chemiewaffen, grundsätzlich verboten. Wenn man solche Waffen einsetzt, kann man nicht unterscheiden, ob man Kämpfer trifft, die in einem Krieg legitime Ziele sind, oder Zivilisten.

Auch verboten sind unter anderem das Aushungern der Zivilbevölkerung, Vergewaltigungen als Kriegsmittel, Geiselnahmen oder Angriffe auf Spitäler.

Nun ist genau das im Gazastreifen vorgefallen: Ein Spital wurde bombardiert. Welche Konsequenzen drohen?

Konsequenzen sind nicht so umfassend, wie man es sich wünschen würde. Die Kontrollinstanz für das humanitäre Kriegsvölkerrecht wäre das Internationale Komitee vom Roten Kreuz IKRK. Es kann Verstösse feststellen, Rügen aussprechen, aber das IKRK hat keine Machtmittel, um seine Sichtweise durchzusetzen.

Auch eine Rolle spielen kann zum einen der internationale UNO-Gerichtshof in Den Haag. Er kann Länder verurteilen. Zum anderen kann der internationale Strafgerichtshof Einzelpersonen verurteilen. Das ist in etlichen Fällen auch schon geschehen. Das Problem bei internationalen Gerichtsinstanzen ist, dass sie sehr langsam funktionieren und längst nicht alle, die Kriegsverbrechen begangen haben, werden bestraft.

Wer hat sich verpflichtet, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten?

Praktisch alle Länder haben das Völkerrecht unterzeichnet, auch Israel. Aber Akteure in heutigen Kriegen sind häufig auch Milizen, Guerillas oder Terrororganisationen, wie die Hamas. Sie haben das Völkerrecht nicht unterzeichnet, obwohl es eigentlich auch für sie gelten würde, denn es ist ein internationales Recht. In der Praxis ist es aber gerade bei solchen Akteuren schwierig durchzusetzen.

Das Gespräch führte Lisa Wickart.

Radio SRF 3, 19.10.2023, 08.15 Uhr ; 

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