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Toi Tois und wie das läuft mit dem Festivalgeschäft
Aus Sounds! Zentrale vom 11.07.2024.
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Festival-Toiletten Was passiert mit der Toi-Toi-Fäkalien-Suppe nach dem Open Air?

Was ist das Wichtigste bei Festivals? Genau: das Klo. Für Bakterien ein Schmaus und Graus.

Am Montagmorgen herrscht bei der Firma Toi Toi Hochbetrieb. Ein Gabelstapler kurvt übers Areal im zürcherischen Oberhasli und hievt Klo-Häuschen aufeinander. Nebenan in der Waschanlage spritzen Arbeiter WCs mit Hochdruckreinigern ab und machen sie wieder einsatzbereit.

Video
So sieht's bei Toi Toi in Oberhasli ZH aus
Aus SRF 3 Musik vom 16.07.2024.
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Rund 15'000 Einzelkabinen und 300 Container hat Toi Toi schweizweit im Einsatz. Dabei löst kaum ein Gegenstand so ambivalente Gefühle aus, wie das blaue Toilettenhäuschen. Eigentlich ist man froh darüber, sein Geschäft irgendwo verrichten zu können. Gleichzeitig bescheren einem der Geruch und die blaue Sauce Unbehagen.

Wer hat's erfunden?

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1973 erfindet der in Deutschland stationierte Amerikaner Fred Edwards das Plastik-Klo. Anfänglich wird das Häuschen vor allem auf Baustellen eingesetzt.

Der Markenname Toi Toi ist so bekannt, dass er zum Deonym geworden ist, also zum Synonym für das Produkt per se.

Die Firma Toi Toi Schweiz ist hierzulande der grösste, aber nicht der einzige Anbieter von Plastik-Toilettenhäusschen. Condecta bietet den gleichen Service an, ebenso diverse Einzelunternehmen.

Normalerweise zersetzen Bakterien Fäkalien, wobei der üble Geruch entsteht. Weil niemand auf ein Klo geht, das bestialisch stinkt, versucht man so gut wie möglich, den Geruch einzudämmen. Dazu dient die blaue Flüssigkeit, die mehrheitlich aus Formaldehyd besteht. Der chemische Stoff hindert Bakterien daran, ihren Job zu erledigen, indem er sie abtötet.

100 Fahrer pro Tag

Bei der Firma Toi Toi sind pro Tag rund 100 Fahrerinnen und Fahrer im Einsatz. Diese laden nicht nur die Kabinen auf und ab, sondern entleeren sie auch regelmässig. Mithilfe eines Schlauchs wird der Toiletteninhalt in einen Tanklastwagen gepumpt, dieser fährt dann in die Kläranlage. Pro Jahr kutschiert die Firma Toi Toi rund 15 Millionen Liter Fäkalien auf den Strassen herum. Das entspricht ungefähr dem Fassungsvermögen von acht Schwimmbecken.

Ein Fall für die Bakterien-Gewerkschaft

«Für eine grosse Kläranlage sind diese Mengen kein Problem», sagt Christian Abegglen von der Abwasserreinigungsanlage Werdhölzli (ZH). Wenn die chemischen Inhalte der ARA übergeben werden, ist bereits eine grosse Menge «normaler» Haushaltsabwasser in der Kläranlage. Das heisst, dass das Formaldehyd stark verdünnt wird. Für eine kleine Kläranlage könne ein Übermass an blauer Fäkalien-Suppe aber problematisch werden. Denn: Eine Kläranlage ist ein Kreislauf, in dem die unterschiedlichen Komponenten aufeinander abgestimmt sind.

Eine Kläranlage in London von oben
Legende: Sauberes Wasser gibt es dank der Arbeit von Bakterien (Mogden, GB). REUTERS/Toby Melville

Ein wichtiger Faktor in diesem Kreislauf sind Bakterien. Sie helfen beim biologischen Abbau mit. Wenn Tanklastwagen Ladungen mit blauer Chemie-Brühe anliefern, dann bekommen diese Bakterien nicht nur mehr Arbeit, sondern Arbeit, die für sie aufgrund der blauen Flüssigkeit tödlich enden kann. Eigentlich ein Fall für die Bakterien-Gewerkschaft.

Anders geht die Firma Kompotoi die Fäkalien-Problematik an. Seit 2012 produziert das Schweizer Unternehmen portable Toiletten aus Holz. Das Geschäft wird auf Holzschnitzel verrichtet, der ganze Haufen dann in eine Kompostanlage überführt. Zusammen mit anderen Grünabfällen entsteht daraus Dünger.

Dünger aus Fäkalien

Bis ins 20. Jahrhundert war es weitverbreitet, dass menschliche Fäkalien zum Düngen von Feldern verwendet wurden. Doch heute finden sich Schadstoffe und Medikamentenrückstände in unseren Exkrementen. «Wir arbeiten eng mit Forschung und Behörden zusammen, damit aus den Holzklo-Inhalten ein unbedenklicher Rohstoff wird», sagt Kompotoi-Mitgründer Jojo Casanova.

Dass Festival-Exkremente in einen nachhaltigen Kreislauf eingebunden werden können, demonstrierte Roskilde. 2017 hat das dänische Festival aus Urin von Besucherinnen und Besuchern Dünger produziert. Damit wurde Gerste gedüngt, die dann wiederum zur Herstellung eines Festivalbiers verwendet wurde. Der Name des Biers: «Pisner».

Radio SRF 3, 11.7.2024, 20:05 Uhr

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