Höhepunkt: Faber
Abgetrennt von seinen Fans durch den grossen Bühnengraben, wirkte Faber anfangs etwas klein auf der Sitterbühne. Der Zürcher und seine Band brauchten aber nur einen Moment, um sich dem Terrain anzupassen. Die rauen Songs, welche Faber mit seinem ganzen Körper interpretiert, erreichten schnell die Seelen und Herzen der Festivalbesucher bis in die hintersten Reihen. Sie hören ihm zu. Sie lassen sich auf seine Geschichten ein. Sie geben sich seinen Melodien hin. Auch dann, wenn es leise wird. So bringt man eine Show, die sich in mittelgrossen Clubs am wohlsten fühlt, erfolgreich auf die Hauptbühne des Openairs St. Gallen.
Superpunkt: Die Ärzte
Die Ärzte aus Berlin leben. Keine Frage. Das Berliner Kult-Trio hat wenig von seiner Qualität eingebüsst. Vielleicht waren sie schon abgefahrener, überraschender und kompromissloser. Sie sind aber immer noch abgefahren und einigermassen kompromisslos. Die Rückkehr von BelaFarinRod wurde im Sittertobel frenetisch gefeiert.
Ausgangspunkt: Knöppel
Eigentlich öffnete das OASG am Donnerstag seine Tore. Der Startschuss der diesjährigen Ausgabe war jedoch für viele erst einen Tag später: Mit der Eröffnung der Hauptbühne durch die St. Galler Punk-Helden Knöppel. Sie kamen, fackelten nicht lange und zeigten, wie sich Witz und Charme der Ostschweizer Punkseele anfühlt. Auf eine grosse Festival-Bühne bei Tageslicht gehört diese Band normalerweise nicht – ausser sie steht im Sittertobel. Und da haben Knöppel abgeliefert und überzeugt.
Orientierungspunkt: Nemo
Nemo hat aufgestockt und ist neu mit voller Band plus DJ unterwegs. Seine Show ist, meiner Ansicht nach, noch nicht ganz da angekommen, wo sie hin soll. Sobald das Schlagzeug in die Mitte der Bühne rückt und das DJ-Pult auf die Seite – ist der Weg frei für ein Konzert mit Band, welches sich energietechnisch noch klarer von einer DJ-Show unterscheidet. Ich bin überzeugt, dass Nemo diese Umstellung in den nächsten Jahren durchziehen wird.
Minuspunkt: Yung Hurn
Das Einzige, das beim Auftritt des Wiener Rappers im Sittertobel brannte, war die Sonne. Was von Yung Hurn von der Bühne kam, war eher lauwarm und weit entfernt von grosser Stimmung. Da halfen auch die ersten Reihen nicht, die Hurn und seine Performance feierten.
Guter Punkt: Black Sea Dahu
Mittags um 12 bei gleissender Sonne als erste Band auf der Hauptbühne zu stehen, ist nicht einfach. Vor der Bühne steht eigentlich nur, wer diese Band unbedingt sehen will. Die Zürcher Folk-Band Black Sea Dahu ist erfahren genug, damit umzugehen und lockte mit ihrem Folk-Pop wohl den einen oder anderen neuen Fan vor die Bühne.
Tiefpunkt: Yungblud
Okay, St. Gallen. Offensichtlich stehst du auf die konstruierte Aggression des britischen Duracell-Neo-Punks Yungblud. Ich nicht. Aber das können wir von mir aus so gut sein lassen.
Doppelpunkt: Zeal & Ardor
Das Blackmetal-Gewitter mit der bestechenden Gospel-Note hatte kein leichtes Spiel auf der Sternenbühne. Vielleicht waren meine Erwartungen zu gross. Nicht an die Band. Ans Publikum. Ich habe den Eindruck, dass nur wenige Festivalbesucher die Genialität dieser revolutionären Schweizer Band gebührend zu würdigen wussten.
Streitpunkt: K.I.Z.
Wie oft habe ich diese Band in den letzten Jahren gesehen? Ich weiss es nicht. Was ich aber weiss: Mit dieser Berliner Truppe, werde ich in diesem Leben nicht warm. Zwar stehe ich auf Ironie, Sarkasmus und Zynismus – nicht aber auf die damit verbundene Umsetzung von K.I.Z.. Und schon gar nicht auf die einfallslose und eher plumpe, musikalische Umrahmung ihrer Hip Hop-Comedy-Show. Vom St. Galler Publikum wurden sie aber ziemlich gefeiert. Wieso? Das müssen andere erklären.
Knackpunkt: Metronomy
Was bei der britischen Elektro-Pop-Band Metronomy auf Konserve Sinn macht, wirkt auf der Bühne eher holprig. Die Essenz dieser Band besteht aus ihren Songs. Die sind stark und stehen für sich allein. Deren Umsetzung im Live-Betrieb war auf der Sternenbühne am Openair St. Gallen allerdings nicht berauschend.
Elfmeterpunkt: Royal Republic
Alter Schwede. Wer wissen will, wie eine satte, knackige und schnörkellose Festival-Rock-Show funktioniert, darf sich an Royal Republic aus Malmö wenden. So spielt man melodiöse Rocksongs präzis und mit Druck nach vorne. Grossartig!
Glanzpunkt: Marius Bear
Der Appenzeller mit der rauen Soulstimme glänzte durch einen sicheren und abgeklärten Auftritt auf der Sternenbühne des Openairs St. Gallen. Er hat die richtige Stimme. Er hat die richtigen Songs. Er hat die richtige Band. Bear ist gerüstet für die kommenden Schritte seiner Karriere. Wenn er sein Profil als Figur noch zu schärfen weiss, ist dieser Künstler komplett.
Pünktchen: Bosse
Hurra Hurra, Bosse ist da. Wäre ich der Überzeugung, dass Popmusik dazu erfunden wurde, Leuten Seifenopern vorzutragen – wäre ich vielleicht ein Bosse-Fan. Ist aber nicht so. Könnte man bei Ikea Pop-Songs kaufen, wäre Bosse im Sortiment. Kurz vor der Kasse. Bei den bunten Servietten.
Pluspunkt: Pale Waves
Ein stimmungsvolles Konzert bot die Manchester Indie-Goth-Pop-Band Pale Waves. Abgesehen von gewissen Längen und stellenweise auftauchenden Intonationsschwierigkeiten erinnerte die junge Band auf schöne Art und Weise immer mal wieder an die Cranberries.
Zusatzpunkt: Idles
Wie gut Wut klingen kann, machen Idles aus Bristol am Openair St. Gallen auf der Sternenbühne klar. Brutal direkt, ehrlich und mit grimmiger Spielfreude überzeugen die virtuosen Lärm-Macher vom ersten bis zum letzten Ton.
Ersatzpunkt: Manillio
Natürlich wissen wir nicht, wie Jessie Reyez’ Auftritt auf der Sternenbühne gewesen wäre. Die Kanadierin musste aufgrund einer Verletzung absagen. Eingesprungen ist der Solothurner Rapper Manillio, der eine sympathische und coole Show ablieferte.
Sammelpunkt: Dabu Fantastic
Die Zürcher waren gut, aber nicht fantastisch. Ein schöner Auftritt. Wie ein netter Kaffee mit guten Freunden. Ich weiss, dass sie grandios sein können und bestimmt auch wieder sein werden. Ich freu mich darauf.
Farbpunkt: The 1975
Wer den Auftritt Indie-Pop-Band The 1975 nicht feierte, mag ganz einfach keine durchgestylte auf Perfektion getrimmte Popmusik. Ein leicht verpeilter Matty Healy gab dem Auftritt der Band aus Manchester das gewisse etwas.
Schlusspunkt: Florence And The Machine
Mit dem warmherzigen Auftritt von Florence & The Machine gingen vier heisse Festivaltage im Sittertobel zu Ende. Welch und ihre Band überzeugten auf der ganzen Linie und betörten das Festivalgelände mit Hits und grosser Musikalität. Wunderschön - aber auch ein bisschen doof, wenn man sich in einen Abschiedskuss verknallt.