Die Grammys gelten als Rolls-Royce unter den Musikpreisen. Wer die goldene Grammophon-Statue in Empfang nehmen kann, darf mit weltweiter Aufmerksamkeit und steigenden Verkaufszahlen rechnen. Ausserdem macht ein Grammy kreativer und experimentierfreudiger. Das zeigt eine Studie von Giacomo Negro, Balázs Kovács und Glenn Carroll, drei Professoren der Verhaltenswissenschaft.
Rückenwind für Gewinner
Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler über 1000 Grammy-Nominationen zwischen 1959 und 2018. Die Auswertung zeigt, dass Grammys einen grösseren Einfluss auf das musikalische Schaffen haben, als man vermuten würde.
Salopp formuliert: Wer einen Grammy gewinnt, wird kreativer. Denn nach einem Gewinn weichen Künstler und Künstlerinnen stilistisch von ihren früheren Arbeiten ab. Und unterscheiden sich auch stärker von anderen Musikschaffenden ihres Genres. Die Vermutung liegt nahe, dass eine Grammy-Auszeichnung das Selbstvertrauen in den eigenen kreativen Weg stärkt.
Grammys machen stark
Die Studie zeigt zudem, dass sich der Gewinn eines Grammys auch auf die Beziehung der Preisträger zu ihrem Geschäftsumfeld auswirkt. Immer wieder gibt es Fälle, in denen Musikschaffende sich darüber beschweren, dass Plattenfirmen ihre künstlerische Freiheit einschränken, um kommerziell erfolgreiche Musik zu produzieren. Ein Grammy kann auch die eigene künstlerische Position stärken im Kampf mit Plattenfirmen.
Nomination macht konventioneller
Wer einen Grammy gewinnt, bekommt kreativen Rückenwind und wird musikalisch mutiger. Ganz anders diejenigen Musikschaffenden, die nominiert sind, aber nicht gewinnen. Ihre Musik entwickelt sich in eine konventionelle Richtung. Die Forscher vermuten dafür zwei Gründe. Weil die Musik nicht zur erhofften Auszeichnung geführt habe, würden Nominierte ihren Stil in eine Richtung lenken, von dem sie sich künftig höhere Erfolgschancen erhoffen. Zum anderen werde die Nichtauszeichnung als Reaktion auf das eigene musikalische Abweichen von Konventionen interpretiert. Die Folge ist in beiden Fällen die gleiche: weniger Risikobereitschaft und weniger Experimentierfreude.
Auswirkung auf Musikindustrie
Dass Grammy-Gewinnerinnen und Nominierte so unterschiedlich reagieren, hat auch Auswirkungen auf die Musikindustrie im Allgemeinen und auf die Musik, die wir hören. Bei einer Grammy-Verleihung gibt es immer mehr Nominierte als Gewinnerinnen. Das heisst, dass nach der Verleihung auch mehr Musikschaffende Richtung Konformität steuern. Entsprechend stellt sich die Frage, ob es nicht besser wäre, wenn die Liste der Nominierten gar nicht erst veröffentlicht würde, sondern nur die Namen der Gewinnerinnen.
Allerdings hätte dieses System für die Künstlerinnen und Künstler auch einen Nachteil: Wer öffentlich für einen Grammy nominiert wird, profitiert kommerziell. Denn nach einer Nomination rückt ein Album im Schnitt ganze 22 Positionen nach oben in den Billboard-Charts.