Netflix veröffentlicht eine Dokuserie über einen britischen Megastar der 90er- und 00er-Jahre. Nein, nicht David Beckham – das war letzten Monat – dieses Mal ist Robbie Williams an der Reihe.
Seit ca. 1993 wird Robbie Williams auf Schritt und Tritt mit Kameras begleitet. Nun darf sich Williams, der nächsten Februar 50 wird, vom Schlafzimmer seiner Villa aus durch dieses Videomaterial klicken.
Hier folgt bereits die erste Enttäuschung: Anstatt dass Zeitgenossen ein komplett(er)es Bild eines Weltstars zeichnen, ist es hier ausschliesslich Robbie, bekleidet mit Boxershorts und Tanktop, der zu Wort kommt.
Die Robbie-Schere: Früher vs. Heute
Williams' Kommentare fallen in etwa so aus, wie man das von jemandem erwarten würde, der lange mit Panikattacken und der Sucht nach Drogen zu kämpfen hatte, mittlerweile jedoch «clean» zu sein scheint: direkt. Trotzdem hinterlässt Williams einen frustrierend lethargischen Eindruck, wenn er mit bedeutungsvollen Momenten seiner Vergangenheit konfrontiert wird.
Als seine Tochter «zufälligerweise» in das Interview hereinplatzt, während sich Williams Aufnahmen anschaut, in welchen zu sehen ist, wie er kurz vor einem Mega-Konzert eine Panikattacke erleidet, auf Druck des Managements aber trotzdem auf die Bühne gezwungen wird, kommentiert er lapidar: «Hey, jetzt kommt der wohl traumatischste Moment meines Lebens!»
Es ist keine Fassade der Selbstironie, hinter der sich Williams zu verstecken scheint. Es wirkt so, als ob zwischen Heute-Robbie und dem Megastar von damals kaum mehr emotionale Gemeinsamkeiten bestehen.
Promi-Gossip? Fehlanzeige
Auch möchte Williams keine schmutzige Wäsche waschen. Aufnahmen seiner Sommerromanze mit «Ginger Spice» Geri Halliwell oder der ewige Kampf mit der britischen Regenbogenpresse werden vom Robbie der Gegenwart so schulterzuckend zur Kenntnis genommen wie seine Zeit bei Take That. Schon bei der 15-Minuten-Marke der ersten Episode hat er die Boyband verlassen.
Spannender sind die unterschwelligen Unzufriedenheiten, die Williams bezüglich seines musikalischen Schaffens durchblicken lässt. Während seiner Glanzzeit füllt er Stadien in ganz Europa. Trotzdem äussert Williams frustriert, wie viel lieber er Hymnen im Stile von «Karma Police» von Radiohead geschrieben hätte, anstatt immer wieder bei seichten Popsongs à la «Karma Chameleon» zu landen.
Ein Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit, der Williams spätestens beim Release seiner desaströsen Single «Rudebox» zum Verhängnis werden wird. Aufnahmen rund um diese Karrierenphase – rückblickend betrachtet das Ende von Williams' Ära als unangefochtener Megastar – gehören zu den besten Passagen dieser Archivbegutachtung.
Robbie Williams hat kein neues Album in den Startlöchern. Auch möchte diese Dokuserie keine humanitären Projekte pushen. «Robbie Williams» ist kein Werbefilm, sondern «einfach» eine Zeitreise zurück zum Zenit eines Megastars.
Für Fans von Robbie Williams dürfte es unmöglich sein, beim Betrachten dieses Archivmaterials emotional unberührt zu bleiben. Schade nur, dass ausgerechnet Robbie Williams selbst bei dieser Nabelschau etwa gleich viel Euphorie an den Tag legt, wie wenn er gerade seine Steuererklärung ausfüllen würde.