«Ich freue mich jedes Mal, wenn ich mich im Spiegel sehe», erzählt Silvana (52) zwei Monate nach ihrer Nasenoperation begeistert. Hinter ihr liegt ein 15-jähriger Leidensweg – mit insgesamt vier Operationen.
Es ist eine grosse psychische Last.
Da Silvana mit der Form ihrer Nase unzufrieden war und zudem Mühe mit Atmen hatte, entschied sie sich damals für eine Nasenoperation. Doch der Eingriff verlief nicht wie geplant – die Nase rutschte nach vorne. Es folgten zwei weitere Operationen, die das Problem jedoch nicht beheben konnten. Alle Eingriffe wurden in der Schweiz durchgeführt.
Tagtäglich habe sie sich im Spiegel angesehen und sich einfach nicht mehr wohlgefühlt, erklärt Silvana. Sie hatte nach wie vor Mühe beim Atmen. Diese langjährige Odyssee sei eine grosse Last für die Psyche, auch für ihre Familie.
Sechs verschiedene Ärzte haben die 52-Jährige abgewiesen. Sie trauten sich nicht an die voroperierte Nase. Der plastische Chirurg Farid Rezaeian wagte es jedoch. Den erneuten Eingriff zahlte sie selbst. Eingriffe in Schönheitskliniken werden nicht von der Krankenkasse übernommen.
Für den Aufbau der Nase wurde ein Leichenteil, ein Rippenknorpel, aus den USA eingeflogen. «Solche Materialien sind in der Schweiz nicht erhältlich», erklärt ihr behandelnder Arzt Fardi Rezaeian von der Clinic Utoquai. Diese Knorpel stammen in der Regel aus den USA oder China.
Der ambulante Eingriff, der zweieinhalb Stunden dauerte, verlief erfolgreich. Zwei Monate nach der Operation sind keine Spuren mehr zu sehen.
Silvana kann es immer noch kaum fassen, dass ihr Arzt es tatsächlich geschafft hat. «Ich habe ein neues Selbstbewusstsein», meint Silvana strahlend.
Missglückte Schönheitsoperationen auf Kosten der Allgemeinheit
Oft werden Folgeoperationen nach einer Schönheitsoperation von der Grundversicherung der Krankenkassen finanziert. Dafür muss ein medizinischer Grund gegeben sein.
In der Schweiz werden zunehmend mehr Patienten, die nach Schönheitsoperationen an Komplikationen leiden, auf Kosten der Allgemeinheit nachoperiert.
Diesen Trend bestätigt auch Professorin Nicole Lindenblatt vom Universitätsspital Zürich: «Am USZ haben wir 2015 bis 2019 eine Studie gemacht, es wurden pro Jahr rund 40 Personen mit akuten Komplikationen nach Schönheitsoperationen behandelt.» Dabei sind diejenigen nicht eingerechnet, die mit dem ästhetischen Ergebnis unzufrieden waren und eine Korrektur wünschten.
Typische Komplikationen umfassen Infektionen, Nachblutungen oder geplatzte Wunden. «Am häufigsten müssen akute Komplikationen nach Brustoperationen oder körperstraffenden Eingriffen wie Fettabsaugungen oder Bauchdeckenstraffungen behandelt werden», erklärt die Chirurgin. Diese Fälle treiben die Gesundheitskosten in die Höhe.
Laut der Studie lagen die Kosten durchschnittlich bei rund 3000 Franken. «Diese Kosten werden von der Grundversicherung übernommen, sofern ein Krankheitswert vorliegt», sagt Lindenblatt. Denn grundsätzlich hat jede Person in der Schweiz, die medizinische Versorgung benötigt, das Recht auf Hilfe.
2013 stellte die ehemalige CVP-Nationalrätin Ruth Humbel jedoch dieses Prinzip infrage und brachte im Parlament einen Vorstoss ein. Sie wollte, dass die Folgekosten von Schönheitsoperationen nicht länger von der Grundversicherung getragen werden.
Humbel sagte damals: «Wer sich liften lassen will, soll das tun. Aber wenn dabei etwas schiefläuft, sollten die Reparaturkosten nicht von der solidarisch finanzierten Krankenversicherung übernommen werden.» Dieser Vorstoss fand im Parlament jedoch kein Gehör.
Grundversicherung deckt medizinische Notfälle
Diese Fälle treiben die Gesundheitskosten in die Höhe. Das Universitätsspital Zürich schätzt, dass die Behandlungskosten pro hospitalisierter Patientin bei rund 4000 Franken liegen.
«Diese Kosten werden in der Regel von der Grundversicherung übernommen, sofern ein eigener Krankheitswert vorliegt, sprich, wenn eine medizinische Dringlichkeit besteht», sagt Lindenblatt.
Das Schweizer Gesundheitssystem lehnt auch keine Menschen ab, die sich bewusst einem höheren Risiko aussetzen, wie zum Beispiel beim Fallschirmspringen, Skifahren oder Rauchen.
Eine Auswertung des Universitätsspitals Zürich zeigt, dass 80 Prozent der Patientinnen mit akuten Komplikationen nach einer Schönheitsoperation im Ausland operiert worden sind, nur 20 Prozent in der Schweiz.
Lindenblatt merkt an: «Die meisten der Patientinnen und Patienten in unserer Studie wurden in der Türkei, Tschechien oder Brasilien operiert.»
Die meisten der Patientinnen und Patienten in unserer Studie wurden in Brasilien operiert.
Schönheitsoperationen sind im Ausland deutlich günstiger als in der Schweiz. Viele Anbieter locken mit All-inclusive-Angeboten zu Dumpingpreisen. Diese ziehen auch Schweizerinnen und Schweizer an.
Besser vorab informieren als nachher nachbessern
Worauf muss man achten? Lindenblatt empfiehlt: «Suchen Sie sich einen Chirurgen, der auf diesem Gebiet Erfahrung hat und über einen Facharzttitel für plastische Chirurgie verfügt.»
Grundsätzlich darf jeder Allgemeinchirurg Schönheitseingriffe durchführen. Darum ist es wichtig, die Qualifikation des Arztes zu überprüfen.
Joyce Sonder von der Patientenstelle Zürich ergänzt: «Es ist wichtig, die Erfahrung des Fachpersonals zu recherchieren, insbesondere die Anzahl der durchgeführten Eingriffe.» Sie würden gerne auch Menschen beraten vor einer Schönheitsoperation: «Ein früher Austausch mit einer Patientenorganisation kann helfen, die möglichen Risiken besser einzuschätzen und sämtliche Fragen zum Eingriff zu klären.»
Silvana ihrerseits wusste vor ihrer ersten Nasenoperation nicht, dass die Patientenstelle solche Beratungen anbietet. «Hätte ich damals davon gewusst, hätte ich mich dort wahrscheinlich beraten lassen.» Ihre 15-jährige Odyssee wäre ihr vielleicht erspart geblieben. Jetzt hofft sie, dass andere von ihrer Geschichte lernen können.