Im Alter von 29 Jahren verspürt Caroline Wolfensberger, die Mutter einer 3-jährigen Tochter, einen Schmerz in der Schulter. Sie denkt an Nachwirkungen vom Umzug. Doch die Schmerzen gehen nicht weg.
Es folgen diverse ärztliche Untersuchungen. Schnell wird klar, es ist etwas Ernstes.
Meine grösste Sorge war, dass mein Kind ohne Mutter aufwächst.
Für Caroline ist diese Zeit der Unsicherheit sehr schlimm. «Wenn man wirklich Angst hat, nicht mehr weiterleben zu können, dann merkt man erst, was es bedeutet, leben zu dürfen», beschreibt es die junge Mutter.
Das Gedankenkarussell dreht sich, vor allem wenn es um ihre Tochter geht: «Meine grösste Sorge war, dass mein Kind ohne Mutter aufwächst.»
Nach über drei Wochen folgt die Diagnose: Lymphdrüsenkrebs, genauer ein B-Zell-Lymphom.
Für Caroline ist die definitive Diagnose zwar ein Schock, aber sie bringt auch Erleichterung mit sich. Denn bei Früherkennung dieser Krebsart stehen die Chancen auf Heilung sehr gut. Und trotzdem: So schnell wie möglich soll Caroline mit der Chemotherapie beginnen.
Mit der Perücke fühle ich mich etwas mehr wie mich selbst.
Mit viel Positivität und Hoffnung akzeptiert sie ihren neuen Alltag. Doch mit dem Start der Chemotherapie treten auch Nebenwirkungen auf, und Caroline verliert ihre Haare.
Um zu etwas Normalität zurückzukehren, legt sich Caroline eine Perücke zu. «Mit der Perücke fühlte ich mich zu Beginn etwas mehr wie mich selbst», beschreibt sie.
Doch manchmal sei sie auch im Weg. Inzwischen trägt sie die Perücke eher selten. Vor allem bei Familienfotos oder ähnlichem greift sie auf diese Möglichkeit zurück.
Familienplanung muss warten
Trotz Positivität und grossem Kampfeswillen gibt es auch schwierige Momente: «Ich habe mir das Leben anders vorgestellt», erzählt Caroline.
Kurz vor ihrer Diagnose verlor Caroline ihr ungeborenes Kind. Die Medizin rät während der Chemotherapie stark davon ab, schwanger zu werden. Und auch danach ist unklar, ob eine Schwangerschaft noch möglich ist.
Caroline und ihr Partner würden sich ein Geschwisterchen für ihre Tochter wünschen, doch Carolines Gesundheit steht an erster Stelle.
Unheilbarer Krebs
Moritz, 24, beschreibt seine Krebserkrankung mit den Worten: «Während alle anderen auf der Überholspur fahren, bin ich mit dem Trotti im Gegenverkehr unterwegs.»
Nachdem ein bösartiger Tumor in seiner Hand entdeckt wird, muss Moritz operiert werden. Bei der Operation werden ihm zwei Finger entfernt. Es folgen auch bei ihm eine lange Chemotherapie und der Haarverlust.
Trotz all dieser medizinischen Interventionen streut der Krebs auch in seine Lunge. Seine Ärztinnen und Ärzte halten eine Heilung für ausgeschlossen.
Moritz versucht das Beste daraus zu machen, doch er würde sich mehr Austausch mit gleichaltrigen Betroffenen wünschen.
Ich komme auf die Onkologie-Station und es ist, als wäre ich im Altersheim.
Gerade in den Phasen, in denen er hospitalisiert wird, ist es schwer für ihn: «Ich komme auf die Onkologie-Station und es ist, als wäre ich im Altersheim.»
Austausch mit gleichaltrigen Betroffenen
Der Austausch mit Gleichaltrigen ist für viele Betroffene von grosser Bedeutung, da er ein Gefühl von Gemeinschaft und Verständnis schafft.
Auch für Caroline ist es wichtig, sich mit Betroffenen im gleichen Alter auszutauschen. Über Social Media lernt sie Stefanie Scirocco kennen. Beide Frauen haben die gleiche Krebsart, Stefanies Behandlung ist jedoch schon weiter fortgeschritten.
Ich glaube, als junge Person hat man einen grösseren Willen, weil man das grössere Ziel vor Augen hat.
Der Austausch tut beiden gut. Sie sprechen über ihre Nebenwirkungen und wie sie damit umgehen.
Und sie sind sich einig: Das Alter hat einen grossen Einfluss auf den Umgang mit der Krankheit. «Ich glaube, als junge Person hat man einen grösseren Willen, weil man das grössere Ziel vor Augen hat», beschreibt Caroline ihre Situation.
Inzwischen hat Stefanie die Chemotherapie und auch die Bestrahlung hinter sich. Jetzt gilt sie als krebsfrei, aber noch nicht als geheilt.
Ich taste mich so oft ab, dass ich schon fast gaga werde.
Krebsbetroffene werden erst dann als geheilt betrachtet, wenn in den Nachsorgeuntersuchungen über einen Zeitraum von fünf Jahren keine Krebszellen nachgewiesen werden konnten.
Die Zeit nach allen Behandlungen ist für Stefanie fast am schwierigsten. Nach dem «High», in dem sie einfach funktioniert und kämpft, folgen für Stefanie Tage, die psychisch herausfordernd sind: «Ich taste mich so oft ab, dass ich schon fast gaga werde.»
Stefanie geht offen damit um. Darüber zu sprechen, hilft ihr sehr. Zusätzlich besucht sie regelmässig eine psychoonkologische Therapie.
Krebsdiagnose prägt die Beziehung
Ein Jahr nach seiner Diagnose lernt Moritz seine jetzige Freundin Alex kennen. «Als wir uns kennenlernten, war die Krankheit kein grosses Thema. Wir führten eine normale Beziehung», erklärt Alex.
Ich versuche, es so gut wie möglich zu verdrängen.
Doch als der Krebs bei Moritz schliesslich in die Lunge streut, änderte sich einiges auch für Alex: «Man hat immer diese Gedanken im Hinterkopf, aber ich versuche, sie so gut wie möglich zu verdrängen.»
Mein Leben ist begrenzt. Unter diesen Umständen ein Kind in die Welt zu setzen, finde ich schwierig.
Doch gerade, wenn es um die Planung der Zukunft geht, werden beide emotional. An Kinderplanung zu denken, ist für Moritz momentan ausgeschlossen: «Mein Leben ist begrenzt. Unter diesen Umständen ein Kind in die Welt zu setzen, finde ich schwierig.»
Wie viel Zeit Moritz noch bleibt, können auch seine Ärzte nicht genau sagen.
Moritz würde diese Zahl auch gar nicht wissen wollen: «Wenn ich wüsste, wie viel mir noch bleibt, würde ich nur Zeit damit verschwenden, mir Gedanken zu machen, was ich alles noch erleben will, und dabei vergessen zu leben.»
Ich habe noch so vieles zu erleben. Wieso sollte ich aufgeben?
Obwohl seine Ärztinnen und Ärzte eine Heilung für ausgeschlossen halten, bleibt Moritz optimistisch: «Ich kann es nicht ändern. Ich habe noch so vieles zu erleben. Wieso sollte ich aufgeben?»