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Frauen stärker betroffen Vollzeitarbeit erhöht laut Studie Krebsrisiko

Laut Forschenden der Uni Freiburg geht Vollzeitarbeit mit erhöhtem Krebsrisiko einher. Eindeutige Erklärungen fehlen.

Vollzeitangestellte haben ein erhöhtes Krebsrisiko. Das zeigt eine Studie von Forschenden der Universität Freiburg, die jüngst in der Fachzeitschrift «Scientific Reports» veröffentlicht wurde. Demnach erkranken Angestellte mit einem 100-Prozent-Pensum häufiger an Krebs als Personen mit anderen Berufslaufbahnen. Zudem hätten Frauen in Vollzeitpensen ein deutlich höheres Krebsrisiko als Frauen, die vollzeitlich Haushalt und Kinder betreuten. Aber auch selbstständig erwerbende Männer erkrankten seltener an Krebs als Angestellte. Die Gründe sind noch unklar. Matthias Probst von der Wissenschaftsredaktion hat sich mit der Studie befasst.

Matthias Probst

Wissenschaftsredaktor

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Seit 2014 arbeitet er als Journalist bei der Gesundheitsredaktion Puls. Seine Fachgebiete sind Public Health und Epidemiologie. 

Wie belastbar sind die Studienergebnisse?

Die Ergebnisse sind mit grosser Vorsicht zu interpretieren. Sie deuten nur auf einen möglichen Zusammenhang hin. Es handelt sich nämlich um Befragungen, die rückblickend erhoben wurden. Solche Daten sind besonders anfällig für Verzerrungen aller Art. Des Weiteren ist zum Beispiel fraglich, ob die Lebens- und Jobbedingungen dieser Jahrgänge auch auf deutlich jüngere Jahrgänge übertragen werden können. Um sicher zu sein, dass die Ergebnisse wirklich ursächlich zusammenhängen und nicht andere Faktoren das Krebsrisiko noch beeinflussen, braucht es weitere Forschungsarbeiten.

Alte und unsichere Daten

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Die Studie untersuchte Umfragedaten von über 12'500 Menschen im Alter von 16 bis 65 Jahren, geboren zwischen 1914 und 1945 und aus 14 europäischen Ländern. Bei den untersuchten Frauen fanden sie dabei acht verschiedene Erwerbsformen vor. Dazu gehörten zum Beispiel «überwiegend Vollzeit erwerbstätig», «überwiegend in Haushalt und Betreuung tätig», «Vollzeit erwerbstätig und danach überwiegend in Haushalt und Betreuung» oder «überwiegend arbeitslos».

Im Gegensatz dazu waren die Erwerbsformen bei den untersuchten Männern stärker standardisiert. Die Forschenden konnten die Beschäftigungsformen nur in die zwei Kategorien «überwiegend Vollzeit erwerbstätig» und «überwiegend selbstständig erwerbend» aufteilen.

Das Forschungsteam weist darauf hin, dass die Ergebnisse erheblich verzerrt sein könnten, da die befragten Probanden ihre Krebsdiagnosen selber angegeben haben und diese nicht aus offiziellen Registern stammen. Selbst gemeldete Krebsdiagnosen sind nicht selten ungenau: Krebserkrankungen werden oft bei Befragungen verschwiegen. Und ältere Menschen geben auch häufig an, Krebs zu haben, obwohl das medizinisch falsch ist.

Hat das erhöhte Krebsrisiko mit Stress zu tun?

Stress spielt bei der Interpretation der Daten eine wichtige Rolle, denn das Forschungsteam weist darauf hin, dass das Stressniveau ein wichtiger Marker für Krebserkrankungen sei. Der Beschäftigungsstatus könnte indirekt angeben, welchem psychosozialen Stress die untersuchten Menschen ausgesetzt waren. Um dazu Aussagen machen zu können, hätte es in der Studie andere Daten gebraucht, zum Beispiel zum Einkommen, zum sozialen Netzwerk am Arbeitsplatz oder auch wie viel Verantwortung auf den Schultern lastete.

Eine Frau greift sich in einer Küche sitzend vor dem Computer ins Gesicht und scheint sich die Augen zu reiben.
Legende: Das Stressniveau ist gemäss dem Forschungsteam ein wichtiger Marker für Krebserkrankungen. IMAGO/Zoonar

Welche Berufe sind gefährdeter?

Die Studie untersuchte nicht die Art der Beschäftigungen im Detail, sondern nur den Beschäftigungsgrad über das gesamte Arbeitsleben. Sie zeigt lediglich, wie viel Personen zwischen dem 16. und 65. Lebensjahr gearbeitet haben (Vollzeit, Teilzeit usw.), ohne zwischen verschiedenen Tätigkeiten (sitzend, stehend) zu unterscheiden.

Klicken Sie hier, um sich die ganze Studie anzusehen:

Welche weiteren Erkenntnisse liefert die Studie?

Die Forschenden betonen, dass solche Studien neue Ideen für die Forschung liefern könnten, um herauszufinden, wie Arbeitsbedingungen die Gesundheit beeinflussen. Zum Beispiel könnte man bei einem Zusammenhang zwischen Nachtarbeit und Krebsrisiko testen, ob Massnahmen wie kürzere Schichten helfen. Dadurch könnten Empfehlungen für bessere Arbeitsbedingungen entwickelt werden. Selbst kleine Verhaltensänderungen könnten das Krebsrisiko langfristig senken, sagt Hauptautorin Rose van der Linden.

Haben Frauen ein höheres Krebsrisiko wegen der Betreuungsarbeit?

Ob Care-Arbeit eine Rolle spielt, wurde in der Studie nicht direkt beantwortet. Das Forschungsteam nennt mehrere Hypothesen für das höhere Krebsrisiko bei den befragten Frauen. Eine davon betrifft indirekt Care-Arbeit, da die Frauen aus den Jahrgängen 1914 bis 1945 möglicherweise in stressigen, schlecht bezahlten Jobs arbeiteten und eine ungesunde Kombination von Berufs- und Hausarbeit zu bewältigen hatten. Es wäre plausibel, dass diese ungesunden Lebensbedingungen das Krebsrisiko erhöht haben, nicht der Beschäftigungsgrad allein.

SRF 4 News, 30.09.2024, 21:30 Uhr ; 

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