Ein neues Darm-Modell ermöglicht die Erforschung der Entstehung von Darmtumoren ohne Tierversuche. Der Mini-Darm wurde in einem Labor an der EPFL in Lausanne gezüchtet. Was es damit auf sich hat, weiss SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel.
SRF News: Wie kommen die Mini-Darmorgane in der Forschung zur Anwendung?
Katrin Zöfel: Mit Darmorganoiden wird schon seit längerem geforscht. Matthias Lütolf hat jetzt mit seinem Team an der EPFL eine besonders ausgefeilte, cleverere Version dieser Organoide für die Krebsforschung entwickelt. Der Plan ist, damit neue Krebsmedikamente zu testen und ausserdem Krebs ganz grundsätzlich besser zu verstehen.
Die winzigen Mini-Därme sind genau gleich aufgebaut wie ein echtes Stück Dickdarm.
Damit man sich das vorstellen kann: Das sind winzig kleine, nur Millimeter lange Därme, die – ausser ihrer Grösse – genau gleich aufgebaut sind wie ein echtes Stück Dickdarm. Die Forscher haben das Erbgut in diesen Mini-Därmen zudem so verändert, dass sie Krebsgene in ihnen an- und ausschalten können, und zwar mittels blauem Licht.
Wie läuft der Test für ein Krebsmedikament in so einem Mini-Darm ab?
Man kann damit vergleichsweise schnell viele Medikamente-Kandidaten durchtesten. Man sieht, ob sie gegen Tumore wirksam sind, und ob sie gesunde Zellen schädigen, also Nebenwirkungen haben. Dazu werden viele dieser kleinen Mini-Därme mit Tumoren gezüchtet. Diesen werden die Testmedikamente verabreicht, und es wird geschaut, was mit den Tumoren und was mit dem gesunden Gewebe geschieht.
Welche Vorteile hat die Testmethode mit den Mini-Organen?
Man macht Tests an einem vollständigen Organ – auch wenn es nur im Mini-Format vorliegt. Man kann in diesem System also ein Medikament quasi in der natürlichen Umgebung eines Darms testen. Wenn man dagegen einem Patienten Darmzellen entnimmt, diese in der Petrischale züchtet und die Medikamente daran testet, dann bekommt man zwar auch Informationen, aber es ist schon eine ziemlich künstliche Situation.
Wie wichtig sind diese Mini-Organe grundsätzlich in der Krebsforschung?
Sie werden wichtiger. Man hofft damit unter anderem zu verstehen, wie das Unheil beim Krebs überhaupt in Gang kommt. Denn das hat man noch nicht verstanden. Man weiss, dass Zellen, in denen Krebsgene aktiviert sind, gar nicht immer zu Krebs ausarten. Es ist kein Automatismus: Mal kommt es so, mal so. Warum das so ist, weiss man aber nicht.
Man kann der Entstehung von Krebs nun von Anfang an und ganz genau zuschauen.
Weil man jetzt in den Mini-Organen die Krebsgene gezielt aktivieren kann, kann man der Entstehung von Krebs nun von Anfang an und ganz genau zuschauen, und – das ist die Hoffnung – so auch besser verstehen, wie Krebs anfängt.
Wer steht hinter dieser Forschung?
Es ist eine Zusammenarbeit der EPFL Lausanne und des Instituts für Humanmedizin in Basel. Dieses Institut in Basel wurde erst vor zwei Jahren gegründet und ist von der Pharmafirma Roche finanziert. Die Idee ist, die Arbeiten, die die Forscher an der Hochschule EPFL gemacht haben, nun in die Anwendung zu bringen. So sollen gewisse neue Medikamente, die Roche entwickelt hat, getestet werden.
Das Gespräch führte Lea Saager.