Regine Lorenz will in ein Tiny House umziehen. Dieser Wunsch ist bei der Primarlehrerin aus Basel während einer dreimonatigen Wanderung durch die Rocky Mountains gereift. Bei ihrer Rückkehr sei es ein Schock gewesen, zu sehen, wie viel Materielles sie besitze.
In der Gemeinde, in der sie unterrichtet, findet sie ein Stück Bauland. Der Besitzer ist gewillt, ihr das Land für zehn Jahre zu verpachten.
Bauland zu finden, sei das Schwierigste, sagt Alesch Wenger, Co-Präsident des Vereins Kleinwohnformen. Er hat Regines Haus geplant.
Alles, was kleiner als 40 Quadratmeter ist, gilt als Tiny House. In einer Zeit, in der weniger oft mehr ist und sich viele Menschen Gedanken machen über eine möglichst sinnvolle Bodennutzung, sind Tiny Houses im Trend. Zudem sind sie günstiger als ein normales Einfamilienhaus.
So günstig, wie man meint, ist der Traum vom kleinen Haus dann aber doch nicht. Die Banken geben bei Tiny Houses keine Hypotheken, sondern nur Darlehen, sofern das Haus nicht fest im Boden verankert ist.
Investition durch Eigenkapital
Das bedeutet, Regine muss 40 statt 20 Prozent Eigenkapital aufbringen. Kostenpunkt alles in allem: gegen 300'000 Franken für 32 Quadratmeter.
Gebaut wird ihr kleines Haus in zwölf Wochen im deutschen Wolpertshausen, dann mit dem Schwertransporter und einem Kran herantransportiert und auf das Grundstück gehievt.
Bei jeder Bauphase bin ich erneut naiv und weiss nicht, was auf mich zukommt.
Unterstützt wird Regine von ihrem Architekten Alesch Wenger. Er führt sie durch alle Bauphasen. Erfahrungen hat Regine nämlich keine. «Bei jeder Bauphase bin ich erneut naiv und weiss nicht, was auf mich zukommt», erzählt sie.
Ein Wasserschaden verzögert den Einzug und, endlich eingezogen, sorgt die Heizung für Probleme. Aber Regine nimmt es mit Humor.
Sie ist glücklich in ihrer 32 Quadratmeter grossen «Schuhschachtel» und findet durch ihr Tiny House sogar eine neue Liebe. An ihrem neuen Wohnort lernt sie ihren Partner kennen.
Aus einem Zirkuswagen soll ein Tiny House werden
Christian Gerber aus dem Emmental packt die Sache ganz anders an. Er will sein kleines Haus innerhalb eines Jahres selbst bauen.
Ein ehemaliger Zirkuswagen soll es werden, den er zusammen mit seiner Partnerin Pascale bewohnen will.
Wir wollen unsere Lebenshaltungskosten senken.
Die beiden sind um die sechzig, ihre Kinder sind erwachsen. Beide träumen davon, sich zu verkleinern und irgendwo in der Natur zu leben. «Wir wollen unsere Lebenshaltungskosten senken», meint Christian Gerber. Er baut, und Pascale kommt in dieser Zeit für die Lebenskosten auf.
Das Holzlabor in Winterthur baut etwa sechs bis acht Zirkuswagen im Jahr. «Die Kosten für einen Wagen belaufen sich auf etwa 50’000 und 150'000 Franken. Mehr geht immer», sagt der Betriebsleiter des Holzlabors, Tobias Jordi.
Hürden bei der Stellplatzsuche
Nach zwei Jahren ist der 28 Quadratmeter grosse Wagen noch nicht fertig, und auch einen Stellplatz haben Christian und Pascale noch nicht, obwohl sie sich an verschiedenen Orten darum bemühen.
Alle Optionen scheitern: In Rüeggisberg legt die Denkmalpflege das Veto ein, in Niederwil liegt der Platz in der Landwirtschafts- statt in der Bauzone. Ebenso auf der Mosegg im Emmental, wo die beiden eigentlich am liebsten hinziehen möchten. Dort steht ein Schulhaus zum Verkauf, dessen Pausenplatz sich perfekt eignen würde.
Bei 200’000 Franken Materialkosten angelangt, muss Christian zwischendurch als Lehrer und Buschauffeur Geld verdienen.
Pascale ist unglücklich in der Rolle der Haupternährerin. Je länger es dauert, desto mehr wird der Wagen eine Belastung für die Beziehung. Und tatsächlich: Irgendwann muss Christian allein weiterbauen.
Nach mehr als drei Jahren kann er ihn wenigstens provisorisch dorthin stellen, wo er ganz ursprünglich hinwollte: auf einen Schulhausplatz auf der Mosegg.
Verkleinerung mit zwei Töchtern
Und schliesslich ist da Claudia Raemy. Die zweifache Mutter und Büroangestellte träumt seit ihrer Trennung von einem einfacheren Leben.
Ich glaube, dass es auch einen psychischen Effekt hat, wenn man auf kleinerem Raum wohnt.
Das Einfamilienhaus ist Claudia viel zu gross. «Ich verbringe meine Zeit lieber mit meinen Kindern als stundenlang mit dem Haushalt», erzählt Claudia. Zudem ist sie überzeugt, dass es eine Befreiung ist, sich von Besitz zu lösen. «Ich glaube, dass es auch einen psychischen Effekt hat, wenn man auf kleinerem Raum wohnt.»
Schon lange liebäugelt sie mit einem Grundstück am Waldrand ihrer Wohngemeinde. Dieses gehört der Bürgergemeinde und kann nur an Bürger der Gemeinde im Baurecht verpachtet werden.
Claudia lässt sich einbürgern und bekommt den Zuschlag für die Pacht. Nun muss sie sich für ein Haus entscheiden und einen Hausbauer engagieren.
Zudem muss zuerst das grosse Einfamilienhaus verkauft werden und die Scheidung durch sein, damit das nötige Geld zur Verfügung steht. «Ich habe mir ursprünglich ein Budget von 300'000 Franken gesetzt», erklärt Claudia. Schnell merkt sie jedoch, dass das zu knapp berechnet ist.
Claudias Kinder sind zunächst nicht begeistert von der Idee, in ein Tiny House zu ziehen. Sie hängen an ihrem grossräumigen Zuhause.
Fast zwei Jahre passiert nichts, doch dann findet Claudia endlich einen Käufer und zieht mit ihren Mädchen vorübergehend in eine Dreizimmerwohnung, ohne eigenes Schlafzimmer.
Entrümpeln tut gut, aber der Druck steigt, vorwärtszumachen. Endlich ist auch die Scheidung durch und plötzlich tut sich eine neue Option auf: Ein Schreiner aus dem Dorf bietet Claudia an, ihr kleines Haus zu bauen.
Ein Tiny House im eigentlichen Sinn wird es mit 73 Quadratmetern zwar nicht, zudem wird es fest im Boden verankert. Dafür erhält sie eine normale Hypothek. Ihre Kosten belaufen sich auf 450'000 Franken.
Planen wie für ein Einfamilienhaus
Wer sich den Traum vom Tiny House erfüllen möchte, plant besser so wie beim Bau eines Einfamilienhauses. Auch eine Baubewilligung muss eingegeben werden.
Das bedeutet: Nur wer Bauland zur Verfügung hat und alle Auflagen erfüllt, kann sich diesen Traum erfüllen.