«Das ist ein sehr emotionaler Ort für mich», sagt Fatoumatta Sandeng. Die 29-Jährige steht vor einer weiss getünchten Mauer mit Stacheldraht. Dahinter der Sitz des früher berüchtigten Geheimdienstes, in Gambias Hauptstadt Banjul.
Erinnerung an die Straftat
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Bild 1 von 3. Fatoumatta Sandeng kehrt für «Reporter» an jene Orte in Gambia zurück, wo ihr Vater im April 2016 verhaftet und getötet wurde. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 3. Hier an der Westfield-Kreuzung demonstrierte Fatoumattas Vater Solo Sandeng 2016 für faire Wahlen – und wurde dafür verhaftet. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 3. Hinter diesen Mauern wurde Solo Sandeng nach der Verhaftung zu Tode gefoltert. Noch heute ist in diesem Gebäude in der Hauptstadt Banjul der gambische Geheimdienst untergebracht. Bildquelle: SRF.
«Hier wurde mein Papa gefoltert und getötet», sagt Fatoumatta. «Es ist wahnsinnig, dass dieses Gebäude immer noch hier ist.»
Vater Solo Sandeng war ein bekannter Politaktivist und hatte für ein demokratisches Gambia gekämpft. 2016 wurde er vom Regime verhaftet und getötet.
«Das sind unsere Mandelas»
Mit dem Tod begann für Fatoumatta Sandeng eine Lebensaufgabe: Das Vermächtnis des Vaters fortführen und gegen das Vergessen kämpfen. Sie gründete die «Solo Sandeng Stiftung» und organisiert etwa Ausstellungen in Erinnerung an die Folteropfer.
Vergessen sei ein Teil der gambischen Kultur, sagt Fatoumatta: «Wir vergeben, vergessen und gehen weiter.» Die Politaktivistinnen und Journalisten, die während der Diktatur gefoltert oder getötet wurden, hätten für Freiheit und Demokratie gekämpft.
Sie seien für Gambia, was Nelson Mandela oder Steve Biko für Südafrika seien. «Wenn wir diese Leute vergessen, vergessen wir einen Teil der gambischen Geschichte», sagt Fatoumatta.
«Das Verfahren in der Schweiz ist sehr wichtig»
Das Gerichtsverfahren gegen Ousman Sonko findet in der Schweiz statt: Weil der frühere Innenminister hierzulande verhaftet wurde und weil der Vorwurf – Verbrechen gegen die Menschlichkeit – so schwer wiegt. Fatoumatta Sandeng ist als Privatklägerin am Verfahren und ist überzeugt: «Endlich wird die ganze Welt mitbekommen, was in Gambia passiert ist.»
Im Land selbst sind bislang nur wenige mutmassliche Täterinnen und Täter vor Gericht gestellt worden. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: Teils flüchteten die Verantwortlichen ins Ausland – so auch Diktator Yahya Jammeh –, teils fehlt es an den gesetzlichen Grundlagen oder dem politischen Willen zur Strafverfolgung.
«Gerechtigkeit kann von überall kommen»
«Wir sind froh, dass es Länder wie die Schweiz gibt, die sich für die Strafverfolgung einsetzen», sagt auch Politologe Sait Matty Jaw. Die Verbrechen seien an Gambierinnen und Gambiern verübt worden. «Aber was die Opfer wollen, ist Gerechtigkeit, und diese kann von überall kommen.»
Derzeit laufen in Gambia Bemühungen, ein Hybrid-Gericht auf die Beine zu stellen. Vor diesem Spezial-Strafgericht soll dereinst auch Diktator Jammeh zur Rechenschaft gezogen werden – momentan befindet er sich allerdings im sicheren Exil in Äquatorialguinea.
Sonko-Urteil in den kommenden Monaten
Die Schweiz verhandelt derweil das Schicksal des früheren Innenministers. Im März werden vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona die Plädoyers vorgetragen. Das Urteil wird in den nächsten Monaten erwartet.
Was aber, wenn Ousman Sonko freigesprochen wird? «Dann werden wir immer noch wissen, dass wir gewonnen haben», sagt Fatoumatta Sandeng. «Dass wir den Mut gehabt haben, die Wahrheit zu sagen.»