Fatou Camara leidet bis heute unter den Folgen der Folterungen: «Sehen Sie meine Hand?», sagt die Gambierin. «Bis heute kann ich nichts Schweres halten.»
Camara hat sich jahrelang für ein demokratisches Gambia eingesetzt. Sie wagte sich auch 2016 noch an Demonstrationen, als schon mancher im autokratisch regierten Land politisch verstummt war. Dafür wurde sie vom Regime verhaftet und gefoltert.
Drei Bundesstrafrichter werden in Bellinzona in den kommenden Wochen zu entscheiden haben, ob der frühere Innenminister Ousman Sonko für die Folterungen und andere Verbrechen während der Diktatur mitverantwortlich ist.
Anspruchsvolle Reise nach Bellinzona
In diesem Prozess ist Fatou Camara eine von zehn Privatklägerinnen und -klägern. Sie wird dafür von Gambia nach Bellinzona reisen und vor dem Gericht aussagen. Doch die Reise ist für die ältere Frau und die anderen Privatkläger nicht nur logistisch anspruchsvoll, sondern auch finanziell.
Denn das Schweizer Gericht übernimmt nur einen Teil der Kosten: So wird den Opfern der Aufenthalt nur für jene Tage bezahlt, an denen sie selbst aussagen müssen. Mindestens einer Privatklägerin wird gar nichts vergütet, weil das Gericht auf ihre Einvernahme verzichtet.
«Viele haben nicht die finanziellen Mittel»
Anwältin Fanny De Weck vertritt zwei Opfer im Prozess und sagt, viele der Privatklägerinnen hätten nicht das Geld, um selbst an dem mehrwöchigen Verfahren in der Schweiz teilzunehmen. «Damit werden die Teilnahmerechte unserer Mandanten aus unserer Sicht de facto beschränkt und das empfinden wir als sehr problematisch», so de Weck.
Das Bundesstrafgericht hält auf Anfrage von SRF Investigativ entgegen, man habe die Reisevorbereitungen der Privatklägerinnen «massgeblich unterstützt» und übernehme sämtliche Kosten, die mit den Einvernahmen zusammenhingen. Etwa Visagebühren, Flüge, Aufenthalte und allfällige Erwerbsausfälle.
Verfahrenssprache: unverständlich
Anwältin De Weck verweist auf einen weiteren Punkt, der die Zugänglichkeit zum Verfahren einschränke. So wird der Prozess gegen Sonko auf Deutsch geführt. Nur einzelne Abschnitte werden auf Englisch übersetzt.
Auch für gambische Journalistinnen und Journalisten dürfte es dadurch schwierig werden, der Verhandlung zu folgen.
Gericht verweist auf Gesetz
Das Bundesstrafgericht schreibt auf Anfrage: «Die Strafkammer behält sich vor, wesentliche Verfahrensschritte und Abläufe der Hauptverhandlung auf Englisch verdolmetschen zu lassen, sodass die im Gerichtssaal anwesenden Personen dem Gang der Verhandlung folgen können.»
Die Privatklägerschaft hat jedoch die Möglichkeit, auf eigene Kosten daran teilzunehmen. Insofern ist deren Recht, der Hauptverhandlung beizuwohnen, gewährleistet
Für eine vollständige Übersetzung sämtlicher Verfahrenshandlungen fehle aber eine gesetzliche Grundlage. Gleiches gelte für eine Teilnahme der Opfer an der gesamten Hauptverhandlung. «Die Privatklägerschaft hat jedoch die Möglichkeit, auf eigene Kosten daran teilzunehmen. Insofern ist deren Recht, der Hauptverhandlung beizuwohnen, gewährleistet», schreibt das Generalsekretariat.
Für Folteropfer Fatou Camara ist das Verfahren in der Schweiz bedeutend. Für sie sei es wichtig, in Bellinzona vor Ort sein zu können: «Weil wir diesen Kampf geführt haben.»