Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider stand mit ihrer Asylpolitik, vor allem von bürgerlicher Seite her, praktisch unter Dauerbeschuss.
Auch ihr Wechsel ins Eidgenössische Departement des Innern wurde hart kritisiert. Das habe sie vorausgesehen, sagt Baume-Schneider, aber nicht gefürchtet: «Ich weiss, wer ich bin.»
Der Einstieg ins neue Departement war steil. Elisabeth Baume-Schneider hatte keine Schonfrist und schon gar keine 100 Tage Zeit, um sich am neuen Arbeitsort einzuleben.
Es kann anspruchsvoll sein, die Position des Bundesrates zu vertreten und den eigenen Werten treu zu bleiben. Das ist mir aber wichtig.
Der Abstimmungskampf um die 13. AHV-Rente hatte schon begonnen. Parteien und Politbeobachter waren gespannt, wie sie die Aufgabe meistern würde. Schliesslich musste sie gegen ihre eigene Partei, die SP, antreten und auch gegen ihre eigene frühere Position als Ständerätin.
Eine Gratwanderung: Baume-Schneider ist es wichtig, dass die Leute verstehen, dass sie die Position des Bundesrates vertreten und trotzdem ihren Werten treu bleiben könne.
Viel Arbeit auf dem Tisch
Auf Elisabeth Baume-Schneider kommen als EDI-Vorsteherin immense Aufgaben zu: Die grössten Brocken sind die Reformen in der Altersvorsorge und im Gesundheitswesen. Die Kritik an ihrer Amtsführung ist aber vorläufig verstummt. Parteien und Medien haben beispielsweise ihr Engagement im Abstimmungskampf insgesamt als positiv bewertet.
Das war in ihrem Amtsjahr als Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements EJPD völlig anders. Ihre Asylpolitik wurde vor allem von bürgerlicher Seite hart kritisiert. Im Wahljahr 2023 waren die Themen Migration und Asyl weit oben auf der Wahlkampfagenda.
Niederlage und heftige Kritik
3000 zusätzliche Plätze für Asylbewerberinnen und -bewerber wollte Elisabeth Baume-Schneider schaffen. Für 130 Millionen Franken wollte sie dafür Container-Dörfer auf Armeegelände errichten. Aber das Geschäft kam im Ständerat nicht durch. Zu teuer und nicht nötig, sagte beispielsweise SVP-Nationalrat und Parteipräsident Marcel Dettling.
Diese Niederlage war ein Steilpass für Kritikerinnen und Kritiker der Bundesrätin.
Kritik gehört zum Amt
Solche Kritik sei ein Ablenkungsmanöver davon, dass man gemeinsam Probleme zu lösen habe, sagt der Freiburger Gerhard Andrey und Nationalrat der Grünen. Zudem, so SP-Fraktionspräsidentin, Samira Marti, sei Elisabeth Baume-Schneider erst die zehnte Bundesrätin in diesem Land. Eine Frau in der Landesregierung sei immer noch keine Selbstverständlichkeit, entsprechend werde sie beurteilt.
Ich lese nicht alles über mich. Und häufig geht die Kritik an meine Rolle, nicht an meine Person.
Baume-Schneider findet, die Kritik gehöre zum Amt, sie nehme sie nicht persönlich: «Ich lese nicht alles über mich. Und häufig geht die Kritik an meine Rolle, nicht an meine Person.» Als Bundesrätin müsse sie das ertragen können. Schliesslich seien nicht nur Bundesräte exponiert, auch Politikerinnen und Politiker von kleinen Gemeinden sähen sich oftmals heftiger Kritik ausgesetzt.
Tatsächlich: Das Eidgenössische Polizei- und Justizdepartment stellte im letzten Jahr eine Häufung von Anfeindungen gegen Politikerinnen und Politiker fest.
Niemand sollte Angst empfinden bei der Ausübung eines Amtes.
Im vergangenen Dezember organisierte Bundesrätin Baume-Schneider deshalb einen Runden Tisch zum Thema Hatespeech in der Politik. «Niemand sollte Angst empfinden bei der Ausübung eines Amtes», sagte die Bundesrätin im Rahmen dieser Gespräche.
Noch nie eine Wahl verloren
In der Deutschschweiz war die Jurassierin bis zu ihrer Wahl in den Bundesrat im Dezember 2022 nahezu unbekannt. In der Romandie hingegen galt sie als politisches Schwergewicht.
Sie war 30 Jahre alt, als sie für die SP ins jurassische Kantonsparlament gewählt wurde. Überraschend gewann sie 2002 die Wahl in den Regierungsrat. Insgesamt blieb sie 13 Jahre in der jurassischen Regierung, wo sie das Departement für Bildung, Kultur und Sport leitete.
Auf Anhieb schaffte sie 2019 den Sprung in den Ständerat. 2022 dann die Wahl in den Bundesrat. Noch nie hat Elisabeth Baume-Schneider eine Wahl verloren.
Sie setzt keinen Fuss auf den Golfplatz in Les Bois
Aufgewachsen ist Elisabeth Baume-Schneider als Bauerntochter in Les Bois. Die Familie arbeitete als Pächter auf einem 52 Hektar grossen Betrieb. In den 1980er-Jahren entschied die Gemeinde, dass der Hof einem Golfplatz weichen soll. Im Abstimmungskampf, so Baume-Schneider, seien die Bauern als «mittelmässige Leute» bezeichnet worden, welche das Dorf nicht weiterbringen würden.
Jeder Mensch verdient denselben Respekt.
Das prägt Elisabeth Baume-Schneider bis heute. Da habe sie gelernt, nie abschätzig über Menschen zu sprechen und allen den gleichen Respekt entgegenzubringen, auch wenn die politischen Meinungen stark divergieren würden. «Jeder Mensch verdient denselben Respekt.» Gerne besucht die Bundesrätin das Dorf Les Bois, aber auf keinen Fall will sie auf das Terrain des Golfplatzes.
Pierre-André Baume: «Es ist nicht angenehm, aber erträglich»
Die Familie Baume-Schneider wohnt keine 10 Kilometer von Les Bois entfernt in Les Breuleux. Bei einem seltenen Einblick in sein Privatleben erzählt das Ehepaar Baume-Schneider, wie sich ihr Leben nach der Bundesratswahl verändert hat. Sie stünden nun in der Öffentlichkeit. Das sei nicht immer angenehm, meint Ehemann Pierre Baume, aber es sei erträglich.
Pierre-André Baume, der von sich sagt, dass er etwas weiter links stünde als seine Frau, findet, dass sich seine Frau auch mit der neuen Funktion als Bundesrätin kaum verändert habe: «Sie bleibt Elisabeth». Man könne auf sie zählen, und sie könne sich auch nach schwierigen Zeiten immer wieder erholen und neu durchstarten.