Studentenverbindungen meiden die Öffentlichkeit. Es wird mehr über sie – als mit ihnen gesprochen. Dadurch haben sich einige Vorurteile fest verankert.
Vorurteil Nr. 1: «Das sind doch alles Nazis»
Zu Beginn das übelste und zugleich das falscheste Vorurteil. «In der Schweiz gibt es keine rechtsextremen Studentenverbindungen», sagt Lynn Blattmann. Die Historikerin hat zu Studentenverbindungen in der Schweiz geforscht.
Wir sind nicht politisch.
Das Vorurteil komme aber nicht von ungefähr. «In Deutschland und Österreich gibt es durchaus Studentenverbindungen mit rechtsextremen Parolen», so Blattmann.
Auch bei den Verbindungen selbst wehrt man sich vehement gegen den Vorwurf, faschistisch zu sein. «Wir sind nicht politisch», sagt zum Beispiel Sophie Karrer von der Berner Verbindung Berchtoldia. Sie selbst ist in der SP.
Vorurteil Nr. 2: «Da wird ständig gesoffen»
Bei traditionellen Studentenverbindungen ist der Bierkonsum ein zentrales Element. Biertrinken ist sogar streng reglementiert. Wer sich nicht an die Trinkregeln hält, muss zur Strafe auch mal ein Bier auf ex trinken.
Ein Trinkzwang bestehe zwar nicht, betonen viele. Der Umstand, dass es Bierregeln inklusive Bierstrafen gibt, zeigt aber schon, dass der Alkohol bei traditionellen Verbindungen einen hohen Stellenwert hat. Das kann auch zu Gruppendruck führen.
Gleichzeitig gibt es weniger traditionelle Verbindungen, bei denen mehr Apfelschorle als Bier getrunken wird. Ein abschliessendes Urteil bei diesem Vorurteil ist also schwierig.
Vorurteil Nr. 3: «Die sind frauenfeindlich»
Alle Studentenverbindungen unisono als frauenfeindlich zu betiteln wäre nur schon deshalb falsch, weil es auch einige gemischte Verbindungen und solche mit ausschliesslich weiblichen Mitgliedern gibt.
Da aber auch im Jahr 2024 bei den meisten Studentenverbindungen nur Männer zugelassen sind, kann man sagen, dass die Strukturen sicher nicht frauenfreundlich sind.
Vorurteil Nr. 4: «Das ist alles total veraltet»
Die ersten Schweizer Studentenverbindungen wurden vor rund 200 Jahren gegründet. «Die Verbindungen waren damals die Vorläufer der politischen Parteien», sagt Historikerin Lynn Blattmann. Die gesellschaftliche Bedeutung von Studentenverbindungen sei damals sehr gross gewesen. «Die Blütezeit der Schweizer Studentenverbindungen ist aber seit über hundert Jahren vorbei», so Blattmann.
Darum: Ja, die Idee, die Strukturen, die Regeln und Bräuche von Studentenverbindungen sind ziemlich veraltet.
Vorurteil Nr. 5: «Die betreiben Vetternwirtschaft»
In den Anfangszeiten der Studentenverbindungen habe sich dort praktisch die gesamte Schweizer Elite vernetzt, sagt Historikerin Blattmann. «Ab Ende des neunzehnten Jahrhunderts konnte man von einem Filz sprechen.» Lange war eine politische Karriere in der Schweiz kaum denkbar, wenn man nicht in einer Studentenverbindung war.
Doch sind Studentenverbindungen noch immer die grossen Strippenzieher hinter den Kulissen? «Nein», sagt Leonardo Schlatter. Er ist Mitglied der Berner Verbindung Burgundia. Durch die Verbindung könne man schon wichtige Kontakte knüpfen und vielleicht hie und da eine Türe öffnen. «Das funktioniert, wenn überhaupt, bei Praktika oder Einstiegsstellen. Weiter oben nicht mehr», so Schlatter.
Historikerin Blattmann pflichtet bei: «Vetternwirtschaft ist bei Studentenverbindung kein grosses Thema mehr. Heute gibt es LinkedIn.»