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Paketbetrug: Online-Händler verfolgen Fälle nicht weiter
Aus Espresso vom 27.12.2022. Bild: IMAGO / Sven Simon
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Adresse missbraucht 81-Jährige im Visier von Paket-Betrügern

Eine ältere Frau, die nie etwas online bestellt, erhält diverse Pakete. Die Polizei vermutet zwei Betrugsmaschen.

Klar, jetzt in der Weihnachtszeit sorgen Pakete in der Regel für Freude und gute Laune. Im Fall einer 81-jährigen Frau aus Zürich war es eher eine Quelle des Ärgers und der Verunsicherung. Vor einigen Wochen erhielt sie nämlich aus heiterem Himmel drei Pakete. Absender: Das Versandhaus Zalando. «Ich erhielt eine Brille, einen Trainingsanzug und ein Kleid», erzählt sie im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso».

Pakete ohne Bestellung – Rechnungen ohne Ware

Sie ist erstaunt, denn sie habe nichts bestellt und kaufe grundsätzlich nicht online ein. «Ich gehe lieber in den Laden.» Also schickt sie die unerwünschte Ware zurück. Als zwei weitere Pakete eintreffen, verweigert sie deren Annahme. Doch es kommen noch mehr Pakete, dazu Rechnungen und Mahnungen. Darunter die Rechnung einer Online-Bijouterie für Waren, die sie nie erhalten hat.

Die unheimliche Paketwelle macht sie ratlos. Sie habe keine Ahnung, wer oder was dahinterstecken könnte: «Ich stehe vor einem Rätsel.» Sie meldet ihr Problem dem nächsten Polizeiposten in ihrem Quartier. Dort empfiehlt man ihr erst mal, ja nichts zu bezahlen. Wer nichts bestellt hat, muss auch nichts bezahlen.

Paket-Klau und «Brushing» möglich

Die Frau habe richtig gehandelt, sagt Marc Surber, Mediensprecher der Stadtpolizei Zürich auf Anfrage. Solche Meldungen seien wertvolle Hinweise, um Betrügern auf die Spur zu kommen. Aufgrund erster Erkenntnisse vermutet die Polizei, dass hier gleich zwei Betrugsmaschen im Spiel sein könnten. Paket-Klau: Die Gauner bestellen im Namen ihrer Opfer Pakete auf deren oder eine andere Adresse und fangen die Lieferungen ab.

Die zweite Masche: das sogenannte «Brushing». Die Betrüger missbrauchen gekaperte Kundendaten, um zahlreiche Bestellungen im Namen der Betroffenen zu tätigen und dann im Hintergrund ebenso zahlreiche, fingierte positive Bewertungen zu generieren.

Man nehme nun in einem ersten Schritt Kontakt mit den involvierten Versandhäusern auf, so Surber. Letztlich seien diese ja die finanziell Geschädigten.

«Fall geschlossen»

Doch dort scheint man kein Interesse an einer Aufklärung des Falles zu haben. Zumindest reagiert Zalando überhaupt nicht auf entsprechende Anfragen von «Espresso». Und die involvierte Online-Bijouterie schreibt auf Anfrage nur, man habe den Fall nicht weiterverfolgt, er sei abgeschlossen.

Generell mache es die Klärung solcher Betrugsfälle natürlich nicht einfacher, wenn bei den Absendern der unerwünschten Pakete kein Interesse daran bestehe, sagt der Polizeisprecher. Auch sässen die Hinterleute oft irgendwo im Ausland und dort sei man auf die Kooperation der zuständigen Behörden angewiesen, um sie dingfest machen zu können.

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Immerhin: Wohl nicht zuletzt, weil sich im vorliegenden Fall die Polizei eingeschaltet hat, sind bei der 81-Jährigen bis dato keine weiteren Rechnungen und Mahnungen eingetroffen. Der Post hat sie die Anweisung gegeben, ihr gar keine Pakete mehr zuzustellen.  

Bei der Polizei heisst es, Zalando habe unterdessen Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Die Online-Bijouterie hingegen nicht. Man bleibe weiter dran.

Unbestellte Ware – was tun?

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Das Obligationenrecht sagt klar: Die Empfängerin oder der Empfänger einer nicht bestellten Ware ist nicht verpflichtet, sie zurückzusenden oder aufzubewahren. Ausser, das Paket wurde offensichtlich irrtümlich an die falsche Adresse geliefert. Dann müsse die Empfängerin den Absender benachrichtigen, rät das Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco) in seinem «Wegweiser Online-Shopping».

Unbestellte Ware muss auch nicht bezahlt werden. Je nach Situation, so das Seco weiter, sei aber eine Reaktion ratsam. Wenn man eine Rechnung erhält, sollte man sie schriftlich anfechten und deutlich machen, dass man nichts bestellt hat. Und man solle sich nicht von Drohungen und Inkassoforderungen einschüchtern lassen, denn es sei unwahrscheinlich, dass das Unternehmen eine Betreibung einleite. In diesem Fall müsste nämlich die Verkaufspartei beweisen, dass es tatsächlich zu einer Bestellung gekommen ist.

Espresso, 27.12.2022, 08:13 Uhr

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