Gehackte Kundenkonten, gestohlene Logindaten – das ist alltägliche Cyberkriminalität. Beim Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1 melden sich regelmässig Betroffene. Mit den gestohlenen Logindaten bestellen Kriminelle Waren, die Rechnung der Onlineshops geht an die betrogenen Kundinnen und Kunden.
Polizei verweigert teilweise Anzeigen
Die Onlineshops raten Betroffenen, Anzeige bei der Polizei zu machen. Denselben Rat geben Fachstellen zur Kriminalitätsbekämpfung. Allerdings gelingt dies nicht immer. Meldungen an «Espresso» zeigen, dass die Polizei teilweise Anzeigen nach einem Identitätsdiebstahl nicht entgegennehmen will. Begründung: Die Betroffenen seien nicht geschädigt, solange sie nicht tatsächlich eine Rechnung hätten bezahlen müssen.
Dieses Problem bestätigt auch eine E-Mail des Onlinehändlers Brack.ch an einen Kunden, welche «Espresso» vorliegt: «Nun haben wir leider die Erfahrung gemacht, dass es Polizisten gibt, welche eine Anzeige gar nicht erst entgegennehmen, da sie behaupten, dass nicht die Kunden, sondern Brack.ch die Geschädigte seien.»
Gemäss Strafprozessordnung ist jede Person berechtigt, eine Straftat anzuzeigen.
Auch die Schweizerische Kriminalprävention schreibt auf Anfrage: «Das Problem ist der SKP bekannt.» Dabei müsste die Polizei die Anzeige entgegennehmen, wie Rechtsanwalt Martin Steiger, Spezialist für Recht im digitalen Raum, sagt: «Gemäss Strafprozessordnung (Art. 301 StPO) ist jede Person berechtigt, eine Straftat anzuzeigen. Man darf also meines Erachtens auf dem Polizeiposten nicht abgewimmelt werden.»
Das Argument, dass die Betroffenen durch die betrügerische Bestellung (noch) nicht geschädigt seien, lässt Rechtsanwalt Steiger nicht gelten: «Wenn ein Onlinehändler mit Inkasso droht und sagt, der Kunde schulde das Geld, dann hat dieser offensichtlich einen Schaden.» Er rät, auf dem Polizeiposten hartnäckig zu bleiben.
Polizei ist verpflichtet, eine Anzeige anzunehmen
Ebenso der Kommunikationsverantwortliche der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandantinnen und Kommandanten KKPKS, Adrian Gaugler: «Will ein Polizist oder eine Polizistin eine Anzeige nicht entgegennehmen, empfiehlt es sich, darauf hinzuweisen, dass die Polizei verpflichtet ist, eine Anzeige entgegenzunehmen, wenn der Sachverhalt genügend konkret ist und Verdacht auf eine Straftat besteht.»
Bei einem Deliktbetrag von über 300 Franken handelt es sich um ein Offizialdelikt, das jede Person bei der Polizei anzeigen kann, auch wenn sie nicht direkt betroffen ist. Bei einem kleineren Betrag müsse die geschädigte Person Strafantrag stellen für die Strafverfolgung, sagt Gaugler weiter. «Da in diesen Fällen nicht immer sofort klar ist, wer letztlich den Schaden hat, muss die Polizei die Strafanzeige ebenfalls entgegennehmen und bei den möglichen Geschädigten nachfragen, ob sie Strafantrag stellen wollen.»
Als geschädigte Person hat man gemäss Strafprozessordnung viele Rechte. Das wissen die meisten Laien einfach nicht.
Ist die Anzeige auf dem Polizeiposten erfasst, empfiehlt Rechtsanwalt Martin Steiger vom Beamten oder von der Beamtin eine Visitenkarte zu verlangen. Zudem solle man fragen, wie es nun weitergehe, ob der Fall beispielsweise an eine Staatsanwaltschaft gehe.
«Spätestens nach zwei Monaten kann man sich erkundigen, ob es Neuigkeiten gibt.» Man könne auch um Akteneinsicht bitten, sagt Steiger: «Als geschädigte Person hat man gemäss Strafprozessordnung viele Rechte. Das wissen die meisten Laien einfach nicht.»