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Unfall auf Baustelle: Bauarbeiter wehrt sich gegen Suva und Axa
Aus Espresso vom 27.11.2024. Bild: imago
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Arbeitsunfall «Aussichtslos»: Suva und Axa lassen jungen Bauarbeiter im Stich

Als die Suva ihre Zahlungen einstellt, braucht ein Arbeiter Unterstützung vom Axa-Rechtsschutz. Doch dieser blockt ab.

Ein 23-jähriger Arbeiter aus dem Kanton Luzern verunfallt im Frühling 2024. Er ist als Temporärangestellter auf einer Baustelle im Einsatz. In einem Neubau muss er mit einem Schraubenzieher verleimte Metallelemente von den Wänden lösen. Eines der Elemente löst sich unverhofft schnell.

Seit dem Unfall Schmerzen in der Schulter

Der junge Mann rutscht ab und prallt mit dem rechten Arm gegen eine Wand. Seither habe er Schmerzen in der rechten Schulter, erzählt er im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso».

Sein Hausarzt schickt ihn zu einem Radiologen. Dieser erstellt ein MRI und diagnostiziert nur ein leichtes Sehnenproblem. Der Arbeiter wird in die Physiotherapie geschickt. Doch diese habe die Schmerzen nur verstärkt.

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Die Suva übernimmt die Kosten dieser Therapien und zahlt etwa drei Monate lang ein Taggeld. Dann stellt die Unfallversicherung ihre Zahlungen ein. Begründung: Die Beschwerden hätten keinen überwiegenden Zusammenhang mehr mit dem Unfall.

Schulterspezialisten empfehlen Operation

Derweil schmerzt die Schulter des Betroffenen weiter. An Arbeit auf dem Bau ist nicht mehr zu denken. Der junge Arbeiter holt eine Zweitmeinung bei einer Schulterspezialistin und bei einem weiteren Orthopäden ein. Beide stellen auf dem MRI eine sogenannte SLAP-Läsion fest, eine gröbere Verletzung im Schultergelenk. Eine Operation wird nötig.

Der Bauarbeiter wäre nun umso mehr auf die Suva angewiesen. Die Leistungen einer Unfallversicherung gehen weiter als jene einer Krankenkasse. Neben den OP-Kosten übernimmt sie unter anderem auch jene der Folgetherapien und zahlt ein Taggeld.

Rechtsschutz sagt: «Aussichtslos»

Um gegen den negativen Entscheid der Suva rechtlich vorzugehen, wendet sich der junge Arbeiter an seine Rechtsschutzversicherung, die Axa. Diese stuft den Fall jedoch als «aussichtslos» ein.

«Aussichtslos»: Die dürfen das

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Eine Rechtsschutzversicherung dürfe einen Fall als aussichtslos einstufen und ablehnen, sagt Sozialversicherungsexperte Kaspar Gehring: «Diese Möglichkeit muss sie auch haben, damit keine Sachen finanziert werden, die überhaupt keinen Sinn machen.»

Ist man als Kunde oder Kundin in dieser Situation, empfiehlt der Rechtsexperte: Zuerst den direkten Kontakt zur Versicherung suchen und Belege liefern. Wenn sich die Versicherung nicht umstimmen lässt, bleibe nur der Rechtsweg. Widerspruch einlegen und so eine Drittmeinung erstreiten. «Doch dieses Verfahren ist aufwändig und teuer», gibt Gehring zu bedenken.

Es braucht also Geduld und vor allem Geld. Manche schlucken deshalb den Aussichtslosigkeits-Entscheid zähneknirschend. Laut Rechtsanwalt Andreas Dobler von der Beratungsstelle für Unfallopfer und Patienten (UP) bestehe ein Trend bei den Rechtsschutzversicherungen, Fälle im Bereich der Sozialversicherungen als aussichtslos zu klassieren. 

Vom Rechtsschutz im Stich gelassen, verfasst der 23-Jährige selbst eine Beschwerde gegen die Suva. Als diese erneut eine weitere Unterstützung ablehnt, meldet er sich bei der Beratungsstelle für Unfallopfer und Patienten (UP) in Luzern. Einer der beratenden Anwälte, Andreas Dobler, vertritt ihn nun. Er argumentiert, die Suva hätte den Fall angesichts der neuen Gutachten erneut prüfen müssen. «Diese Abklärungspflicht hat sie verletzt.» Der Fall ist am Luzerner Kantonsgericht hängig.

Stellungnahme Suva

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Die Suva geht wegen des hängigen Verfahrens nicht auf den konkreten Fall ein. Sie teilt aber mit: «Die Versicherungsleistungen der Suva sind gesetzlich geregelt. (…) Die Suva erbringt Versicherungsleistungen immer, wenn die Vorgaben für einen Anspruch auf Leistungen erfüllt sind.» Und: Die Leistungen würden so lange ausgerichtet, wie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Unfallfolgen vorhanden seien.

Für die Anwaltskosten muss der junge Mann selbst aufkommen. Er meldet sich mehrfach bei der Rechtsschutzversicherung, mit der Bitte, sich die neuen Diagnosen anzuschauen. Doch die Axa will nichts davon wissen und teilt dem Kunden mit, der Fall sei abgeschlossen.

«Versäumnis»: Axa prüft den Fall nochmal

Als sich SRF einschaltet, tut sich etwas: Man werde den Fall erneut prüfen, kündigt die Axa an. Gestützt auf den ersten Bericht des Radiologen vom März 2024 und auf die Suva-Akten sei man damals zum Schluss gekommen, dass der 23-Jährige kein «unfallkausales» Problem habe, sondern ein vorwiegend «anlagebedingtes».

Deshalb habe die Axa den Fall als aussichtslos eingestuft. Anfangs Oktober habe man den revidierten Befund des Radiologen erhalten. Auch dieser geht nun von einer Unfallverletzung aus. Diese neue Erkenntnis habe man bei der abschliessenden Antwort an den Kunden nicht berücksichtigt. «Aufgrund dieses Versäumnisses werden wir den Fall erneut prüfen.» SRF weiss: Den Auftrag für die erneute Prüfung hat die Axa einem externen Anwalt übergeben.

Espresso, 27.11.2024, 8:10 Uhr

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