Eine fremdsprachige Frau absolviert an der International Language School (ILS) in Bern eine Deutschprüfung. Sie benötigt das Zertifikat, um Musikpädagogik zu studieren. Beim schriftlichen Teil der Prüfung sei alles gut gelaufen, sagt sie im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Die mündliche Prüfung hat sie aber in schlechter Erinnerung: Die Expertin sei unhöflich gewesen und habe ihr verwirrende Fragen gestellt. Sie habe immer wieder nachfragen müssen, was die Prüferin genau gemeint habe, und sie habe ein zunehmend schlechtes Gefühl bekommen bei der Sache.
Erst eine Entschuldigung, dann ein Eingeschriebener
Vorweg: Die Frau hat die Prüfung bestanden. Ihren negativen Eindruck von der mündlichen Prüfung schildert sie aber in einem Kommentar in den Google-Bewertungen. Die Schule reagiert zuerst am selben Ort mit einer Replik: Man gratuliere ihr zum Zertifikat und entschuldige sich dafür, dass sie sich bei der mündlichen Prüfung nicht wohlgefühlt habe. Und die ILS fügt auch hinzu, dass jeweils externe Prüfungsexpertinnen und -experten im Einsatz seien.
Diese Replik wird aber wieder gelöscht, dafür flattert der Kundin ein eingeschriebener Brief ins Haus. Darin fordert die Schule sie auf, ihre Bewertung zurückzuziehen. «Ansonsten sehen wir uns gezwungen, rechtliche Schritte einzuleiten.» Begründung: Die Bewertung sei ungerechtfertigt und rufschädigend.
Die Kundin denkt aber nicht daran, ihren Kommentar zu löschen. Sie meldet sich bei «Espresso», weil sie wissen will, ob das rechtlich sauber ist oder nicht, wie die Schule hier vorgeht. Ebenfalls fragwürdig findet sie, dass die ILS positive Bewertungen belohnt, mit einem 50-Franken-Gutschein und einem Gratis-Kaffee.
Rechtsexperte: «Sehr problematisch»
Florent Thouvenin ist Professor für Kommunikations- und Informationsrecht an der Universität Zürich. Er beurteilt den Umgang der Schule mit Bewertungen als «sehr problematisch». Indem ein Unternehmen auf der einen Seite Druck mache, dass Kommentare gelöscht würden und sich auf der anderen Seite quasi positive Bewertungen erkaufe, verfälsche es den Gesamteindruck des Angebots: «Und damit funktioniert das Bewertungssystem eigentlich nicht mehr.»
Online-Kommentare seien eine wertvolle Orientierungshilfe für andere Konsumentinnen und Konsumenten und müssten die Realität abbilden. Greife ein Anbieter ein, wie im vorliegenden Fall, werde es auch rechtlich problematisch. Es gehe in Richtung Irreführung.
Am umstrittenen Kommentar der Prüfungskandidatin hat der Rechtsexperte hingegen nichts auszusetzen: «Es ist offensichtlich ein persönlicher Erfahrungsbericht, recht neutral formuliert und nicht besonders angriffig.»