«Ich war angespannt und nervös.» So beschreibt es ein 55-Jähriger, als er an einem Sonntag seinen Schlüsselbund verliert. Er kontaktiert vergeblich den Schlüsseldienst seiner Verwaltung. Schliesslich entdeckt er im Internet einen vermeintlich geeigneten Notfalldienst. Doch der Schein trügt.
Einsatz kostet 1800 Franken
«Vor Ort wechselte der ausgerückte Handwerker das Schloss aus», sagt der Zürcher zum SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Einen genauen Kostenvoranschlag habe es zuvor nicht gegeben. Stattdessen sei er dazu gedrängt worden, ein Formular zu unterschreiben. Und der Handwerker habe ihn darauf hingewiesen, dass er sofort bezahlen müsse.
Nach getaner Arbeit folgt der Schock: Der Mitarbeiter von Adventus Schweiz verlangt über 1800 Franken. Viel Geld für den Betroffenen, der im Rollstuhl sitzt und von einer IV-Rente lebt. «Ich habe dem Handwerker gesagt, dass ich nur ein kleines Einkommen habe.» Doch dieser habe kein Verständnis gezeigt und auf Sofortzahlung gepocht.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt
Auch weitere Betroffene schreiben SRF von «Abzockmethoden» und «irritierenden Auftritten» von Adventus Schweiz. Bei der Zürcher Staatsanwaltschaft läuft ein Strafverfahren gegen die Firma, wie sie auf Anfrage schreibt. Grund sei der Verdacht auf überteuert ausgeführte Handwerkerarbeiten in mehreren Fällen. Eine Anzeige stammt vom betroffenen 55-Jährigen. Für Adventus Schweiz gilt die Unschuldsvermutung.
Wie schon für eine frühere Berichterstattung konfrontiert SRF Adventus Schweiz mit den Vorwürfen. Auf konkrete Fragen geht das Unternehmen nicht näher ein. Stattdessen schreibt es, dass sich jeder Kunde bei Beschwerden für eine Einigung direkt an sie wenden kann. Weiter würde die Kundschaft über die Sofortzahlungen im Vorfeld aufgeklärt.
7000 Franken für verstopftes Lavabo
Laut Sanitärfirmen und Branchenverbänden sind dubiose Notfalldienste kein Einzelfall. In Bern verlangte ein Monteur wegen eines verstopften Lavabos über 7000 Franken. Die Staatsanwaltschaft hat den Mann wegen Wuchers verurteilt, berichtete die «Berner Zeitung» vor einem Jahr.
Im Idealfall erkennen Betroffene einen unseriösen Anbieter rechtzeitig. Bei den obersten Suchresultaten im Internet etwa gilt es, misstrauisch zu sein. Manchmal kaufen fragwürdige Dienstleister solche Plätze.
Kunden dürfen Sofortzahlung verweigern
Doch was ist, wenn die Handwerker bereits im Haus sind und ein überrissenes Honorar verlangen? Roman Schister, Dozent für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Ostschweizer Fachhochschule und Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen, sagt: «Wenn der Betrag plötzlich viel höher ist als in der Offerte und ein Handwerker dazu noch die Notlage von jemandem ausgenutzt hat, kann man den Vertrag anfechten.»
Es ist jedoch gut möglich, dass ein Dienstleister auf eine Sofortzahlung des Betrages beharrt. Rechtsexperte Schister rät, sich nicht einschüchtern zu lassen: «Der Handwerker kann seine Kundinnen und Kunden nicht dazu zwingen.» Wer mit einer Forderung nicht einverstanden sei, solle die Zahlung verweigern und um eine angepasste Rechnung bitten.
Ein gewisses Risiko birgt diese Praxis jedoch: Der Handwerker kann einen betreiben. Ein solches Szenario ist für Betroffene unangenehm, sagt Roman Schister. Doch es handle sich um die bessere Option: «Wenn Sie den Betrag bezahlen, haben Sie kaum Chancen, Ihr Geld wiederzusehen.»