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Trotz Warnung: «Autoindustrie nimmt Sicherheitslücke nicht ernst»
Aus Espresso vom 21.11.2024. Bild: Imago
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«Keyless»-Systeme Diebstahl-Gefahr: Schläft die Autoindustrie?

Seit Jahren ist bekannt: «Keyless»-Systeme bei Autos sind unsicher. Doch die Hersteller ignorieren Warnungen.

Darum geht es: Viele Automarken setzen heutzutage auf «Keyless»-Systeme. Der Kunde kann sein Auto öffnen und losfahren, ohne den Schlüssel in die Hand zu nehmen. Doch auch Diebe haben ein leichtes Spiel. Denn diese Autos sind einfacher zu stehlen als jene mit normalem Funkschlüssel. Diese Sicherheitslücke ist seit Jahren bekannt. Inzwischen hat der grösste Verkehrsclub Europas, der ADAC, mehr als 700 Autos mit «Keyless»-System überprüft. Fast alle waren problemlos zu knacken. Nur zehn Prozent waren genügend geschützt.

So unterscheidet sich «Keyless» von normalen Funkschlüsseln

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Ein normaler Funkschlüssel sendet sein Signal nur auf Tastendruck. Die Autobesitzerin muss den Schlüssel in die Hand nehmen und einen Knopf drücken – erst dann öffnet sich die Tür. Bei Autos mit «Keyless»-Systemen funktioniert es anders: Sobald man sich mit dem Schlüssel in der Tasche dem Fahrzeug nähert, entriegelt sich die Tür automatisch. Dabei werden Funksignale zwischen dem Auto und dem Schlüssel hin- und hergeschickt.

Branche ignoriert Warnungen: ADAC-Mediensprecher Michael Gebhardt ist besorgt über die Situation: «Es scheint so, als würde die Autoindustrie die Sicherheitslücke nicht genügend ernst nehmen.» Schon 2011 habe die ETH Zürich vor diesem Problem gewarnt. Auch der ADAC fordere die Autokonzerne seit Jahren auf, ihren Diebstahlschutz zu verbessern. «Und trotzdem hat sich die Situation kaum verbessert.»

Was sagen die Autohersteller? SRF hat verschiedene Konzerne angefragt, deren Autos Sicherheitslücken aufweisen. Subaru verweigert eine Stellungnahme, Ford hat nicht geantwortet. Andere Hersteller wie Volvo, Toyota, Mazda oder Stellantis, der Mutterkonzern von Opel, weisen die Vorwürfe zurück. Sie würden stetig neue Massnahmen treffen und Technologien entwickeln, um Diebstähle zu verhindern.

Das sagen die Autohersteller:

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  • Hat es Volvo verschlafen, seine Modelle zeitgemäss gegen Diebstahl zu schützen? Nein, sagt der Konzern: Ihre neusten Modelle, die im Test nicht aufgelistet sind, seien mit «Ultra-Wide-Band-Technik» gesichert. Diese Methode empfiehlt der ADAC gegen Diebstähle.
  • Stellantis, der Mutterkonzern von Opel schreibt, bei ihnen befasse sich eine spezielle Abteilung mit Autodiebstählen und deren Bekämpfung. Details zu ihren gewählten Technologien gebe die Firma aus Sicherheitsgründen nicht bekannt.
  • Mazda verweist auf ihre ab Juli 2024 produzierten Fahrzeuge in Europa. Diese würden die EU-Cybersicherheitsvorschriften erfüllen und vor potenziellen Hackerangriffen schützen. Was damit genau gemeint ist, lässt die Firma offen.
  • Toyota stellt die ADAC-Resultate in Frage: Es sei etwa unklar, welche Testmethode verwendet worden sei. Die getesteten Autos seien teilweise älter als angegeben. Ausserdem könne das Risiko eines Diebstahls nie ganz ausgeschlossen werden.

Wie häufig sind Autodiebstähle? Im letzten Jahr wurden schweizweit rund 1050 Personenwagen gestohlen. Dies ist ein Viertel mehr als noch 2022, wie die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt.

So gehen die Diebe vor: Kriminelle nutzen es aus, dass die Schlüssel bei Autos mit «Keyless»-Systemen Funksignale aussenden. Mit technischen Geräten gaukeln sie dem Auto vor, der Schlüssel sei in der Nähe – auch wenn er in Wahrheit hundert Meter weit weg ist. So können sie das Auto öffnen, ohne Spuren zu hinterlassen.

Sichere «Keyless»-Systeme gibt es schon: Einige Hersteller setzen auf Schlüssel mit Bewegungssensoren. Wird er eine gewisse Zeit nicht bewegt, schaltet das Funksignal ab und das Auto lässt sich nicht mehr öffnen. Dies bietet laut TCS zwar einen gewissen Schutz. Wirklich optimal sei aber nur die sogenannte «Ultra-Wide-Band-Technik». «Diese erkennt, ob der Schlüssel tatsächlich in der Nähe ist», sagt Erich Schwizer vom TCS. Nur dann öffne sich die Autotür.

TCS rät, «Keyless» zu deaktivieren: Als Autobesitzer kann man sich ein spezielles Etui anschaffen oder den Schlüssel in Alufolie wickeln. Dies kann die Funkwellen unter Umständen eindämmen. Gemäss TCS funktioniert das aber längst nicht immer. Erich Schwizer empfiehlt deshalb, das «Keyless»-System zu deaktivieren: «Der Nachteil ist aber, dass die Komforteinrichtung dann für den Kunden selbst nicht mehr nutzbar ist.» Alternativ empfiehlt er, das Auto in eine geschlossene Garage zu stellen.

Espresso, 21.11.24, 8:10 Uhr

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