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Früher rezeptfrei, heute nur noch gegen kostenpflichtige Beratung
Aus Espresso vom 15.06.2023. Bild: Imago/Pond5
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Umstrittene Pauschale Apotheke verlangt neun Franken für Nasenspray-Beratung

Gegen Heuschnupfen nimmt ein Mann seit Jahren die gleiche Arznei. Nun will ihn die Apotheke kostenpflichtig beraten.

Landauf, landab hört man lautes Niesen: Gräserpollen haben Hochsaison und für Heuschnupfen-Geplagte bleibt oft nur der Griff in den Medizinschrank. Linderung verschaffen unter anderem leicht kortisonhaltige Nasensprays. Ist auch bei einem Patienten aus dem Raum Zürich so: «Einmal am Tag wende ich einen solchen an und bin so praktisch beschwerdefrei.» Seit 25 Jahren verwende er während der Heuschnupfen-Saison diesen Spray und habe noch nie Nebenwirkungen gehabt.

Beratung oder Rezept

Bisher habe er diesen Spray rezeptfrei beziehen können. Doch als er nun in einer Toppharm-Apotheke Nachschub holen wollte, hiess es dort, er brauche neu entweder ein Rezept, oder man mache eine Beratung. Diese koste neun Franken. Der Mann entschied sich für die Beratung im Glauben, das sei eine einmalige Sache. «Die Apothekerin sagte mir aber, das sei nun jedes Mal nötig und man müsse die Abgabe auch jedes Mal dokumentieren.» Seine Bitte, dass er in diesem Fall gleich mehrere Fläschchen beziehen möchte, sei abgelehnt worden. «Man könne immer nur eine Packung beziehen.»

Für den Mann ist das nicht nachvollziehbar: «Das ist für mich ein schamloses Abkassieren. Und dann wundert man sich, wenn die Leute für einen simplen Heuschnupfen-Spray zum Arzt rennen für ein Rezept.» Das sei doch eine unnötige Belastung der Arztpraxen. «Ein Witz!»

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Pauschale ist nicht vorgeschrieben

Hintergrund seines Ärgers ist eine Änderung des Heilmittelgesetzes im Jahr 2019. Seither können ehemals rezeptpflichtige Medikamente erleichtert durch Apotheken abgeben werden. Das Gesetz schreibt vor, dass die Abgabe dokumentiert wird, der Patient vor Ort ist und die Abgabe durch einen Apotheker, eine Apothekerin erfolgt. Eine kostenpflichtige Beratungspauschale ist nicht vorgeschrieben. Die Apotheken können frei entscheiden, ob sie eine solche verlangen oder nicht.

Nasenspray ist noch gar nicht rezeptpflichtig

Es kommt im konkreten Fall aber noch etwas anderes hinzu: Beim betreffenden Nasenspray handelt es sich um das Produkt Otri Heuschnupfen. Dieses Medikament wurde erst im Rahmen der erwähnten Gesetzesrevision als rezeptpflichtig eingestuft. Doch gegen diese Neueinteilung hatte sich die Herstellerin gewehrt – das entsprechende Verfahren ist noch hängig.

Somit gilt für dieses Arzneimittel laut dem Heilmittelinstitut Swissmedic «das gleiche Abgabeprozedere wie vorher» – also rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Die Apotheke habe die falschen Abgabemodalitäten angewandt. Toppharm stellt sich in diesem Punkt jedoch voll und ganz hinter die betroffene Apotheke: Es sei «vollumfänglich nachvollziehbar», dass das Fachpersonal dieses Präparat gleich behandle wie alle anderen kortisonhaltigen Nasensprays.

Es liegt an den Kunden, die Konkurrenz spielen zu lassen.
Autor: Giovan Maria Zanini Oberster Schweizer Kantonsapotheker

Der betroffene Kunde zieht seine Lehren aus dem Fall: Er werde nächstes Mal sicher eine andere Apothekengruppe testen. Das empfiehlt im Übrigen auch der oberste Schweizer Kantonsapotheker, Giovan Maria Zanini: «Es liegt an den Kunden, die Konkurrenz spielen zu lassen.»

Espresso, 15.06.23, 08:13 Uhr

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