Zum Inhalt springen
Audio
Die heuschnupfengeplagte Schweiz: Warum es uns besonders hart trifft
Aus SRF 4 News aktuell vom 30.05.2023. Bild: Keystone/Gaetan Bally
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 46 Sekunden.

Die Gene und die Hygiene Heuschnupfen-Saison: Darum sind wir ein Volk von Allergikern

Die Schweiz schnäuzt und schnieft. Die ernüchternde Diagnose eines Mediziners: Wir sind für Heuschnupfen prädestiniert.

Es könnte so schön sein. Nachdem der Mai ins Wasser gefallen ist, bricht sich nun der Frühsommer Bahn: Die Vögel zwitschern, am Himmel ziehen heitere Cumuluswolken vorüber, und nach einem sonnengetränkten Pfingstwochenende geht’s gutgelaunt zurück ins Büro.

So weit zumindest die Theorie. Tatsächlich aber durchleben derzeit viele Menschen ein alljährlich wiederkehrendes Martyrium. Die Augen brennen, die Nase juckt, der Rachen kratzt und krächzt. Das Schniefen, Niesen und Hüsteln ist zum Soundtrack der Nation geworden. Es ist Heuschnupfen-Saison.

Die aktuelle Pollenbelastung in der Schweiz
Legende: Alarmstufe Rot: die aktuelle Pollenbelastung in der Schweiz. SRF

Rund 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung sind von einer Pollenallergie betroffen. Seit Jahren steigt diese Zahl kontinuierlich an. Warum das so ist, weiss Peter Schmid-Grendelmeier, Leiter der Allergiestation am Universitätsspital Zürich. «Einerseits haben in der Schweiz viele Leute die genetische Veranlagung für Heuschnupfen. Andererseits ändert sich der Pollenflug – also die Menge und die Art des Pollens.»

Kommt hinzu: Der Pollen ist für allergische Erkrankungen über die Jahre «aggressiver» geworden. «Er löst heute mehr Beschwerden aus als noch vor einigen Jahrzehnten.» 

Damit ausgehend von einer genetischen Veranlagung auch Beschwerden ertstehen, muss man mit den entsprechenden Allergieauslösern Kontakt haben. «Bei den Pollen sind das vor allem windbestäubte Pollen, die über weite Distanzen fliegen», erklärt Schmid-Grendelmeier.

Mann mit Sonnenbrille vor Haselnussstrauch
Legende: Die Exposition ist entscheidend dafür, wie stark die Symptome ausfallen. Helfen kann es laut dem Allergie-Experten, am Abend die Haare auszubürsten oder draussen eine Sonnenbrille zu tragen. Keystone/APA/Robert Jäger

Eine Allergie befeuern können auch Infektionen oder Schadstoffe wie Plastikpartikel, die die Barrierefunktion der Schleimhäute angreifen.

Die Schattenseite der properen Schweiz

Und schliesslich hat unser sauberes Leben eine Schattenseite: Es begünstigt nämlich Allergien. In der Forschung spricht man dabei von der Hygiene-Hypothese, wie der Mediziner ausführt. «Wenn etwa im jungen Alter wenig Keime auf das Immunsystem treffen, kommt es auf die dumme Idee, stattdessen Allergien auszulösen.» So haben Forschende festgestellt, dass Allergien in Ländern weniger verbreitet sind, in denen Menschen öfter an Parasiten wie Würmern leiden.

Genetische Veranlagung, aggressivere Pollen und eine Art Hygiene-Paradox: Das klingt fast schon nach dem perfekten Sturm, der über die Schweiz hereinbricht. Wer zu den Glücklichen gehört, die bislang verschont geblieben sind, kann sich leider nicht zurücklehnen. Denn Allergien kann man auch erst im Erwachsenenalter entwickeln.

Symptom- und Ursachenbekämpfung

Box aufklappen Box zuklappen

Linderung versprechen zunächst einmal Medikamente: die Antihistaminika-Tabletten. «Sie machen heute sehr viel weniger müde als früher und werden sehr gut toleriert», sagt Schmid-Grendelmeier. Zudem helfen auch Augentropfen und Nasensprays, die allergischen Symptome zu reduzieren.

Die Desensibilisierung schliesslich zielt auf die Ursache der Allergie ab. Mit der Therapie soll der Körper mittels einer Toleranzentwicklung langsam an die Allergene gewöhnt werden. Bei der Desensibilisierung hat sich in den letzten Jahren einiges geändert, wie der Mediziner erklärt. Statt sich regelmässig Allergene unter die Haut spritzen zu lassen, kann man nun auch zuhause Tabletten und Tropfen nehmen.

Schliesslich läuft auch die Forschung weiter – so auch am Universitätsspital Zürich. Dort wird laut Schmid-Grendelmeier an einer effizienteren Desensibilisierung geforscht. «Wir spritzen den Stoff statt unter die Haut in die Lymphknoten. Dabei braucht es nur zwei, drei Spritzen und viel kleinere Mengen.» Die Schutzwirkung dieser Methode soll ähnlich gut sein wie mit der langjährigen Behandlung.

Ob und wann eine Allergie entsteht, lässt sich kaum voraussagen: Neben Umweltfaktoren und Veranlagung dürften hier auch veränderte Ernährungsgewohnheiten eine Rolle spielen, schliesst der Experte. «Unsere Darmflora beeinflusst das Immunsystem auch. Man kann allerdings noch nicht sagen, welche Ernährung ideal ist, um Allergien herunterzuregulieren.»

SRF 4 News, 30.05.2023, 12:30 Uhr ; 

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel