Schnell ist etwas passiert: Der Hund wird schwer krank oder die Katze vom Auto angefahren. Lange Behandlungen und hohe Tierarztkosten sind die Folge. Diese können das Haushaltsbudget schwer belasten. Viele Haustierbesitzer schliessen deshalb eine spezielle Versicherung ab, damit diese die Kosten übernimmt, wenn dem geliebten Vierbeiner etwas zustösst.
Doch: Die Versicherungsgesellschaften scheinen sich zu drücken, wo es nur geht. Bei «Kassensturz» landen regelmässig Meldungen von enttäuschten und verzweifelten Tierhalten. Zum Beispiel:
Fall 1: Paragrafenreiterei
Die Border Collie-Dame Lilly der Familie Blatter leidet am geriatrischen Vestibulärsyndrom, eine altersbedingte Gleichgewichtsstörung. Alleine in den ersten Wochen bezahlten die Blatters für veterinärmedizinische Abklärungen und Medikamente gegen 1000 Franken.
Lillys Versicherung – die Epona – sollte diese Kosten übernehmen. Doch sie teilte Thomas Blatter mit, dass das geriatrische Vestibulärsyndrom von «veterinär-medizinischen Fakultäten als chronische Krankheit eingestuft» werde. Und solche würden während der Karenzfrist nicht übernommen.
Doch: Mehrere universitäre Tierspitäler bestätigen gegenüber «Kassensturz»: Beim geriatrischen Vesitbulärsyndrom handelt es sich um eine akute und nicht um eine chronische Krankheit. Und für den Versicherungs-Ombudsman Martin Lorenzon ist ebenfalls klar: In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ausschlüsse zu definieren, hat Grenzen.
Stand November 2016
Bemerkungen:
1) tiefste maximale Versicherungssumme
2) durch Zukauf mit anderem Abo bis 90 % möglich
3) Gesundheitsattest vorbehalten
«Wenn ein Versicherer definiert, dass eine Krankheit, die 90, 120 oder 180 Tage dauert, eine chronische Krankheit ist, dann ist das weltfremd und hat nichts mit der Realität zu tun.»
Epona gesteht gegenüber «Kassensturz» Fehler ein. Sie schreibt: «In dem an unseren Kunden adressierten Brief handelt es sich leider um einen Fehler unsererseits. Wir hätten uns in der Tat unmittelbar auf die Definition von Epona beziehen müssen anstatt auf die der Veterinärmedizin.»
Das heisst: Der älteste Tierversicherer der Schweiz definiert im Kleingedruckten selber, was «chronisch» bedeutet. Demnach ist alles chronisch, was eine Behandlungszeit von drei Monaten übersteigt.
Diese Definition treffe denn auch auf das Haustier der Blatters zu. Deshalb habe der «bedauerliche Kommunikationsirrtum […] keinen direkten Einfluss auf die Ablehnung der Kostenübernahme.» Blatters bleiben auf Ihren Kosten sitzen.
Fall 2: Knebelvertrag aus alten Tagen
Ein weiteres Problem bei Tierversicherungen sind die Knebelverträge: Animalia zum Beispiel, die Haustierversicherung der Vaudoise, bindet im Kleingedruckten den Versicherungsnehmer fünf Jahre an sich. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate, wer diese verpasst, muss für ein weiteres Jahr Prämien zahlen.
«Solche Knebelverträge sind eher etwas Altertümliches und gehören nicht in eine moderne Versicherung», erklärt Versicherungsexperte Stefan Thurnherr. «Wenn es eine gute Versicherungsleistung ist, dann gibt es keinen Grund, den Kunden so lange zu binden.»
Animalia hält gegenüber «Kassensturz» fest, dass das Schweizerische Recht die Vertragsfreiheit vorsehe. «Infolge der Übernahme der Gesellschaft Animalia durch die Vaudoise wird diese Frage jedoch erneut überdacht.»
Fall 3: Kündigung im Schadenfall
Cornelia Schorros Hündin Emma war bei der Europäischen Reiseversicherung (ERV) versichert. Das Modell Wau-Miau offeriert unbegrenzte Leistungen. Dementsprechend hoch waren die Prämien.
Als Emma an einer Pilzerkrankung litt, hoffte Cornelia Schorro auf die Versicherung. Dann aber der Schock: Die ERV kündigt die Versicherung vorzeitig, ja verweigert sogar die Rückzahlung der Kosten für die laufende Krankheit und bezieht sich auf ihre Versicherungsbedingungen. «Es fällt mir schwer, das zu akzeptieren, weil der Schaden ja noch nicht abgeschlossen ist. Emma ist immer noch krank», so Schorro.
Grundsätzlich erlaubt das Gesetz Vertragskündigungen für beide Parteien. Ombudsman Martin Lorenzon sagt aber deutlich: Eine Leistung für den laufenden Schadensfall zu verweigern, gehe nicht – auch wenn eine Versicherung dies im Kleingedruckten so festschreibe.
Wenn die eine Partei die Hauptgarantie des Vertrages verkürzen könne und dies in den Geschäftsbedingungen so festschreibe, sei dies unlauter. «Und was unlauter ist, ist widerrechtlich und somit ungültig.» Für den Experten ist klar: Die Versicherung müsse den Schaden bezahlen, bis die maximale Versicherungssumme erreicht sei.
«Kassensturz» konfrontiert die ERV mit diesen Experten-Aussagen. Geschäftsleitungsmitglied Patrik Grobe schreibt, Abklärungen hätten ergeben, dass die entsprechende Klausel bei Einführung der Wau-Miau-Versicherung geltendem Gesetz entsprächen.
«Natürlich werden wir die Situation nach Recht und Usanz bzw. Marktakzeptanz erneut prüfen und sind auch bereit, uns stetig zu verbessern und gegebenenfalls die Klausel anzupassen.» Mündlich versicherte die ERV, dass sie die allgemeinen Vertragsbedingungen in absehbarer Zeit anpassen würden.
Für Cornelia Schorro ist das Ansporn genug. Sie kämpft weiter für ihr Recht und versucht, mit Hilfe des Ombudsmans die ERV zum Einlenken zu bewegen.