Der ehemalige Spitzengastronom und Kocholympia-Sieger Bruno Wüthrich aus Spiez (BE) schrieb vor einem Jahr ein Kochbuch über Tofu. Dabei fiel ihm auf, dass bei der Tofu-Produktion sehr viel Abfall anfällt.
Um Tofu herzustellen werden die Sojabohnen eingelegt, gekocht, gemahlen und dann ausgepresst. So entsteht Sojamilch, aus der Tofu gemacht wird. Die gemahlenen und ausgepressten Sojabohnen – das sogenannte Okara – bleibt übrig. Pro Kilo Tofu entsteht etwa ein Kilo Okara. Jedes Jahr fallen in der Schweiz geschätzte 1000 Tonnen Okara an, die entweder im Futtertrog von Kühen oder in der Biogas-Produktion enden. Das hochwertige Okara ist also Abfall.
Für Bruno Wüthrich ist das vollkommen unverständlich: «Okara hat drei Mal so viel Protein wie Kartoffeln, kaum Kohlenhydrate, viele ungesättigte Fettsäuren und Ballaststoffe. Ein ideales Lebensmittel», sagt er.
«Das ist, wie wenn man eine die halbe Kuh wegwerfen würde»
Er vergleicht Okara mit der Fleischproduktion: «Das wäre, wie wenn man nur die Hälfte eines Rinds verwenden und den Rest wegwerfen würde. Das ist doch eine unglaubliche Verschwendung.» Kurzerhand kreierte Wüthrich ein Kochbuch mit 40 Okara-Rezepten. Von der Suppe über den Salat bis zum Hauptgang und dem Dessert.
Dass Okara ein hochwertiges Lebensmittel wäre, bestätigt auch Christoph Denkel. Er ist Professor für Food Science an der Berner Fachhochschule und forscht aktuell an der Verwendung von Okara in der Lebensmittel-Industrie: «Das Problem ist, dass Okara relativ schnell verdirbt. Es müsste also pasteurisiert oder schockgefroren werden. Die Produzenten sind noch nicht dafür eingerichtet, Okara weiterzuverarbeiten.»
Ein weiterer Knackpunkt sei die faserige Struktur des Okara, was die Verwendbarkeit einschränke. Da es geschmacksneutral sei, liesse sich Okara beispielsweise gut als «Füllmaterial» einsetzen, sagt Christoph Denkel. Bruno Wüthrich hat beispielsweise verschiedene Brote aus Okara gebacken.
Hochwertiges Lebensmittel landet im Tierfutter oder in der Biogas-Produktion
Bis jetzt wird Okara nur in ganz wenigen Produkten eingesetzt. Coop hat beispielsweise zwei Produkte mit Okara im Sortiment: Kroketten und eine Art Okara-Taler: «Die Okara-Produkte kommen gut an und wir prüfen weitere», heisst es bei der Coop-Medienstelle. Allerdings könne Coop nur gerade etwa fünf Prozent des anfallenden Okaras verwenden. Der Rest gehe in die Biogas-Produktion.
Ganz andere Erfahrungen macht die Migros: Die Okara-Kroketten und ein Okara-Tatar seien kein Erfolg gewesen und wieder vom Markt genommen worden. Derzeit habe die Migros keine Okara-Produkte im Angebot, schreibt die Medienstelle: «Die Nachfrage ist einfach zu klein.» Das Okara lande darum im Futtertrog von Kühen.
Es bleibt noch viel Aufklärungsarbeit, bis das hochwertige Lebensmittel Okara den Durchbruch schafft.