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Absurd hohe Wegentschädigungen Ärzte vergolden sich Wegentschädigung

Die Ärztefirma Emeda betreut Patienten in Alters- und Pflegeheimen und vergoldet dabei die Wegentschädigungen.

Als Rosmarie Aebi die Arztrechnungen ihres betagten Vaters anschaut, beschleicht sie ein Verdacht: Die regelmässig verrechnete Wegentschädigung ist nicht korrekt: 49.69 Franken macht der Arzt geltend für die Reise zum Alters- und Pflegeheim, wo Rosmarie Aebis Vater wohnt.

Am Betrag hat sie nichts auszusetzen. Nur, was ist, wenn diese Kosten jeder einzelnen Person verrechnet werden, die in der gleichen Tour in diesem Heim besucht werden? Rosmarie Aebi rechnet vor: «Das sind bei 20 Personen pro Tag 20-mal 49.69 Franken, also rund 1000 Franken, ohne dass eine Leistung dafür erbracht wurde.»

«Kassensturz» regt Datenanalyse bei CSS und Helsana an

«Kassensturz» will es genauer wissen und geht der Frage nach, ob die Ärztefirma Emeda, die für die ärztliche Versorgung im besagten Heim zuständig ist, wirklich systematisch zu hohe Wegentschädigungen verrechnet. Zwar haben sich bei «Kassensturz» mehrere Angehörige von Heimbewohnern gemeldet, die von Emeda betreut werden – alle mit dem gleichen Verdacht. Aber ein Beweis ist das noch nicht.

Darum holt «Kassensturz» die beiden grössten Krankenkassen mit ins Boot: CSS und Helsana. Sie müssten wissen, ob Emeda Wegentschädigungen überverrechnet. Beide Kassen haben spezialisierte Kontroll-Teams, die erfolgreich zu hohe Arztrechnungen aufspüren. So decken sie jährlich Millionenbeträge auf, die unkorrekt verrechnet wurden.

Doch im Fall der Wegentschädigungen versagt die Kontrolle, wie Dieter Siegrist, Leiter Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der CSS, erläutert: «Das Hauptproblem ist, dass wir auf der einzelnen Rechnung nicht sehen: Was ist denn bei den anderen Versicherungen am gleichen Tag abgerechnet worden?»

2000 Franken Wegkosten für einen einzigen Heimbesuch

CSS und Helsana checken auf Anregung von Kassensturz tausende von Emeda-Rechnungen. Bald steht fest: Allein bei diesen beiden Kassen kommen für einzelne Heimbesuche regelmässig Wegentschädigungen von 60 bis 90 Minuten zusammen. Und dabei decken die beiden Kassen lediglich ein Drittel des Gesamtmarktes ab.

«Kassensturz» ist an Ihrer Meinung interessiert

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Auf alle Krankenkassen hochgerechnet, verrechnet Emeda pro Heimbesuch also schätzungsweise drei bis viereinhalb Stunden nur für den Weg, in Einzelfällen noch deutlich mehr, wie ein Arztbesuch vom November 2022 zeigt. Hier summieren sich die Wegentschädigungen auf schätzungsweise zwölf Stunden. Das entspricht Wegkosten von 2000 Franken – für einen einzigen Heimbesuch! Dabei ist der Weg zwischen dem Emeda-Sitz und dem Heim für Hin- und Rückfahrt gerade mal 40 Minuten, was eine Entschädigung von 132.50 Franken rechtfertigen würde.

Emeda betreut nach eigenen Angaben mehr als 20 Pflegezentren in fünf Kantonen. Die Firma verrechnet den Krankenkassen hochgerechnet jedes Jahr rund eine halbe Million Franken nur an Wegentschädigungen. Basierend auf den aktuellen Stichproben und den festgestellten Überverrechnungen hat Emeda in den vergangenen vier Jahren grosse Beträge unrechtmässig verrechnet. «Da ist man schnell in den hunderttausenden von Franken, die zu viel verrechnet wurden», bestätigt Harry Wüst, Leiter Missbrauchsbekämpfung bei der Helsana.

Emeda reagiert und passt Verrechnungsmethode an

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Die Geschäftsleitung von Emeda will die Befunde in der «Kassensturz»-Berichterstattung nicht kommentieren, «aus Datenschutzgründen», wie der Geschäftsführer verlauten lässt. Auch auf ein Interview mit dem «Kassensturz»-Reporter will Emeda verzichten. Die Firma schickt ein schriftliches Statement:

«Die bisherige Verrechnungsweise kann dazu führen, dass in gewissen Fällen zu viel, in anderen Fällen aber auch zu wenig Wegzeit verrechnet wird. Es liegt uns fern, auf diese Weise Mehreinnahmen zu erwirtschaften.»

Emeda ergänzt: «In der Zwischenzeit haben wir die Verrechnungsweise angepasst, sodass die korrekte Abrechnung der Patientenvisite sichergestellt ist.»

Helsana bestätigt, Emeda habe seit der «Kassensturz»-Recherche ein zusätzliches manuelles Controlling der Abrechnungen eingeführt, bei dem die effektive Wegzeit mit der verrechneten Wegentschädigung abgeglichen werde. Die Höhe der Wegentschädigungen und auch die Ausreisser seien zurückgegangen.

Emeda will nicht auf konkrete Befunde eingehen und schreibt Kassensturz, manchmal werde zu viel, manchmal zu wenig verrechnet. CSS und Helsana wollen der Sache mit den Wegentschädigungen noch vertieft nachgehen und allfällig zu viel verrechnete Wegentschädigungen bei Emeda zurückfordern.

Espresso, 28.1.25, 8:10 Uhr

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