Annamarie Wihler weiss inzwischen, dass sie auf eine Abzockmasche hereingefallen ist. In den vergangenen 10 Jahren kaufte sie und ihr inzwischen verstorbener Mann immer wieder Reproduktionen historischer Bücher, sogenannte Faksimiles, zu horrenden Preisen: «Uns wurde stets gesagt, dass diese Bücher eine gute Investition seien und an Wert zulegen würden.»
Das Versprechen überzeugt, die Bücher strahlen durchaus eine Wertigkeit aus, wie die «Faksimile Benediktionale»: Die Rechnung der Firma WK Wertkontor datiert vom 28. Juli 2021, der Betrag: 13'999 Franken. Wihlers bezahlten – und waren zuversichtlich.
Heute steht Annamarie Wihler vor einem Stapel von 17 Büchern: «Die Verkäufer argumentierten jeweils damit, dass noch wenige Bücher fehlen würden, bis die Sammlung komplett sei.»
Sie und ihr Mann unterschrieben jeweils die entsprechenden Kaufverträge. Im Kleingedruckten ist allerdings vermerkt, dass sich solche Bücher «nicht als Wertanlage eignen». Laut Annamarie Wihler wurde sie jedoch nie darauf hingewiesen.
104'000 Franken für Bücher
104'000 Franken zahlten Wihlers insgesamt für die Bücher. «Unser Erspartes ist nun praktisch alles aufgebraucht», erzählt Annamarie Wihler. Als wieder ein Haustürverkäufer auftaucht, erklärt sie, dass sie keine Bücher mehr kaufen, sondern sie endlich verkaufen will. Kurz darauf taucht ein Mann der deutschen Firma DEX Direct Exclusive auf und macht ein attraktives Angebot.
Um die Büchersammlung für mögliche Käuferinnen oder Käufer zu präsentieren, sei jedoch eine «Online-Registrierung» für knapp 3000 Franken notwendig. Frau Wihler bezahlt, doch zum Verkauf kommt es nicht, obwohl mehrfach versprochen wurde, dass es «Interessenten» gäbe.
Aus dem Nichts taucht vor ein paar Monaten ein Mann aus Deutschland bei Annamarie Wihler auf. Wieder geht es um eine «Registrierung». Und auch er erzählt, dass die Sammlung attraktiv sei und es viele Interessenten gäbe. Allerdings sei eine «Registrierung» der Sammlung auf der Online-Plattform «Bibliothek Register» notwendig, Kostenpunkt: 20'000 Franken.
Annamarie Wihler fehlt jedoch das Geld. «Ich wollte auf keinen Fall einen Kredit aufnehmen, deshalb verzichtete ich auf die Registrierung.»
«Das ist Humbug»
Kassensturz zeigt die «Registrierungsverträge» dem renommierten Buchantiquar Marcus Benz aus Zürich. Er ist Vizepräsident der Vereinigung der Buchantiquare in der Schweiz und erklärt, dass solche Registrierungen Humbug seien.
Und was sagt er zur Büchersammlung von Frau Wihler, für die sie 104'000 Franken ausgab? «Bei Faksimile gibt es grosse Qualitätsunterschiede. Es gibt hochwertig hergestellte Bücher und solche, deren Qualität eher schlecht ist. Eine gute Investition ist so ein Buch aber nie, das sind Liebhaber-Objekte.»
Für «Kassensturz» recherchiert Marcus Benz auf Online-Verkaufsplattformen verschiedene Bücher aus der Sammlung von Frau Wihler. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Der Verkaufspreis ist stets ein Bruchteil dessen, was sie dafür bezahlt hat.
«Das ist eine grosse Sauerei!», sagt Annamarie Wihler, «ich ärgere mich, insbesondere über mich selbst, dass wir das gemacht haben.»