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Abzocke mit überteuerten Büchern
Aus Kassensturz vom 21.05.2024.
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Abzockmasche Wenn die Büchergauner wieder klingeln

Zuerst verkaufen sie angeblich wertvolle Bücher, danach ziehen sie die Kunden mit «Registrierungen» über den Tisch.

Annamarie Wihler weiss inzwischen, dass sie auf eine Abzockmasche hereingefallen ist. In den vergangenen 10 Jahren kaufte sie und ihr inzwischen verstorbener Mann immer wieder Reproduktionen historischer Bücher, sogenannte Faksimiles, zu horrenden Preisen: «Uns wurde stets gesagt, dass diese Bücher eine gute Investition seien und an Wert zulegen würden.»

Was sind Faksimiles?

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Faksimiles sind originalgetreue Nachbildungen von historisch bedeutsamen Büchern, Zeichnungen oder Dokumenten. Deren Qualität kann sehr unterschiedlich sein. Es gibt hochwertig hergestellte Faksimiles, die einen entsprechend hohen Preis haben können, sowie Exemplare, die qualitativ kaum überzeugen. Eine Investition im Hinblick auf eine Wertsteigerung ist eine Faksimile in keinem Fall.

Das Versprechen überzeugt, die Bücher strahlen durchaus eine Wertigkeit aus, wie die «Faksimile Benediktionale»: Die Rechnung der Firma WK Wertkontor datiert vom 28. Juli 2021, der Betrag: 13'999 Franken. Wihlers bezahlten – und waren zuversichtlich.

Heute steht Annamarie Wihler vor einem Stapel von 17 Büchern: «Die Verkäufer argumentierten jeweils damit, dass noch wenige Bücher fehlen würden, bis die Sammlung komplett sei.»

Sie und ihr Mann unterschrieben jeweils die entsprechenden Kaufverträge. Im Kleingedruckten ist allerdings vermerkt, dass sich solche Bücher «nicht als Wertanlage eignen». Laut Annamarie Wihler wurde sie jedoch nie darauf hingewiesen.

104'000 Franken für Bücher

104'000 Franken zahlten Wihlers insgesamt für die Bücher. «Unser Erspartes ist nun praktisch alles aufgebraucht», erzählt Annamarie Wihler. Als wieder ein Haustürverkäufer auftaucht, erklärt sie, dass sie keine Bücher mehr kaufen, sondern sie endlich verkaufen will. Kurz darauf taucht ein Mann der deutschen Firma DEX Direct Exclusive auf und macht ein attraktives Angebot.

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Annamarie Wihler: «Mir wurde versprochen, dass man die Sammlung für mindestens 150’000 Franken verkaufen könne»
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Um die Büchersammlung für mögliche Käuferinnen oder Käufer zu präsentieren, sei jedoch eine «Online-Registrierung» für knapp 3000 Franken notwendig. Frau Wihler bezahlt, doch zum Verkauf kommt es nicht, obwohl mehrfach versprochen wurde, dass es «Interessenten» gäbe.

«Kassensturz» ist an Ihrer Meinung interessiert

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Aus dem Nichts taucht vor ein paar Monaten ein Mann aus Deutschland bei Annamarie Wihler auf. Wieder geht es um eine «Registrierung». Und auch er erzählt, dass die Sammlung attraktiv sei und es viele Interessenten gäbe. Allerdings sei eine «Registrierung» der Sammlung auf der Online-Plattform «Bibliothek Register» notwendig, Kostenpunkt: 20'000 Franken.

Annamarie Wihler fehlt jedoch das Geld. «Ich wollte auf keinen Fall einen Kredit aufnehmen, deshalb verzichtete ich auf die Registrierung.»

«Das ist Humbug»

Kassensturz zeigt die «Registrierungsverträge» dem renommierten Buchantiquar Marcus Benz aus Zürich. Er ist Vizepräsident der Vereinigung der Buchantiquare in der Schweiz und erklärt, dass solche Registrierungen Humbug seien.

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Marcus Benz, Buchantiquar: «Dass man über solche Registrierungen Bücher verkaufen kann, schliesse ich aus»
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Und was sagt er zur Büchersammlung von Frau Wihler, für die sie 104'000 Franken ausgab? «Bei Faksimile gibt es grosse Qualitätsunterschiede. Es gibt hochwertig hergestellte Bücher und solche, deren Qualität eher schlecht ist. Eine gute Investition ist so ein Buch aber nie, das sind Liebhaber-Objekte.»

Buchantiquar Marcus Benz erklärt, dass Faksimiles keine Investition seien.
Legende: Buchantiquar Marcus Benz erklärt, dass Faksimiles keine Investition seien. SRF

Für «Kassensturz» recherchiert Marcus Benz auf Online-Verkaufsplattformen verschiedene Bücher aus der Sammlung von Frau Wihler. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Der Verkaufspreis ist stets ein Bruchteil dessen, was sie dafür bezahlt hat.

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Annamarie Wihler: «Das ist eine grosse Sauerei!»
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«Das ist eine grosse Sauerei!», sagt Annamarie Wihler, «ich ärgere mich, insbesondere über mich selbst, dass wir das gemacht haben.»

Stellungnahme der Firmen

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«Kassensturz» kontaktierte die Firmen WK Wertkontor, Domi Direct GmbH, EKS Europäischer Kunst Service und Schweizer Kunst-Verlagsservice GmbH. Die Firma Domi Direct GmbH reagierte mit einem Anwaltsschreiben, will aber keine Stellungnahme zur Veröffentlichung abgeben. Die anderen Firmen reagierten nicht.

Die Firma DEX Direct Exclusive ist offenbar in finanzieller Schieflage; laut öffentlichen Quellen wurde in Deutschland ein «Amtslöschungsverfahren» eingeleitet. Auf eine schriftliche Anfrage wurde nicht reagiert. Die Firma R&E Service GmbH («Bibliothek Register») stellte eine Stellungnahme in Aussicht, schickte dann aber doch nichts.

Kassensturz, 21.05.24, 21:10 Uhr

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