In der psychiatrischen Universitätsklinik UPD in Bern gibt der Personalbestand zu reden. Dort werden auf einer geschlossenen Akut-Station zuweilen 22 Patienten von zwei Pflegenden betreut. Das sei per se nicht zu wenig, sagt UPD-Direktor Michael Kaess. Und es sei zulässig: «Es gibt keine offiziellen Richtlinien oder internationalen Konventionen, wie genau ein Pflegeschlüssel aussehen muss, zumal eben ein solcher Pflegeschlüssel sehr davon abhängt, welche Art von Erkrankung und welcher Akutheitsgrad von Patienten gerade behandelt wird.»
Pflegefachfrau: «So kann es nicht weitergehen»
Berichte von Betroffenen lassen allerdings aufhorchen. Im «Kassensturz» erzählt eine ehemalige Patientin der psychiatrischen Uniklinik Bern: «Für mich stand während meines Aufenthalts niemand zur Verfügung. Wenn das Stationsbüro überhaupt besetzt war, standen immer sehr viele Patienten an.» Sie erinnert sich: «Aus den zwei Isolationszimmern hörte man dauernd Schreie, auf dem Korridor hatte es Blut und Exkremente. Einmal sass ein Mann nackt in seinem Rollstuhl. Da war viel zu wenig Personal.» Die Uniklinik Bern will sich aus Rücksicht auf «Patientenrechte» nicht zu konkreten Fällen äussern.
Auch eine diplomierte Pflegefachfrau der UPD warnt im «Kassensturz»: «So kann es nicht weitergehen. Die Patientinnen und Patienten sind bei uns nicht sicher.» Auch Vorkommnisse in den letzten Monaten lassen aufhorchen: Ein ehemaliger Patient drang ins Gebäude ein und verfolgte mit einer Axt das Personal, zwei Patienten begingen in Isolation Suizid.
Ärzte- und Pflegepersonal warnen
Assistenzärzte der UPD schrieben der Geschäftsleitung in einem Brief, der «Kassensturz» vorliegt: «Wir haben Angst.» Und: «Gewalt und Notfallsituationen häufen sich.» Das Pflegepersonal doppelte mit einem offenen Brief nach: «Die Bedingungen in der UPD sind aus Pflegesicht untragbar. Es gibt schlicht zu wenig diplomiertes Pflegepersonal, um die komplexen und herausfordernden Patientensituationen in der Erwachsenenpsychiatrie zu meistern.»
Wir bemühen uns an allen Ecken und Enden, mehr Personal einzustellen oder mehr Personal zu bekommen.
Gegenüber «Kassensturz» sagt Direktor Michael Kaess dazu: «Wir bemühen uns an allen Ecken und Enden, mehr Personal einzustellen oder mehr Personal zu bekommen.» Rückfrage: Müsste man nicht sagen, es geht nicht mehr? Antwort: «Was wäre die Konsequenz, wenn wir das sagen. Wir haben der Politik gesagt, wir brauchen dringend Unterstützung, wir haben Schwierigkeiten mit Fachkräftemangel. Die Politik weiss, dass wir immer wieder ganze Abteilungen deswegen zumachen. Aber wenn wir einfach sagen, wir schliessen die Versorgung – was wäre dann?»
Die Uniklinik hat nach den Recherchen von «Kassensturz» eine unabhängige Untersuchung initiiert. Man nehme die Vorwürfe vonseiten der Mitarbeitenden und der Patientinnen und Patienten «sehr ernst» und wolle die Vorwürfe «lückenlos» aufklären.