Sebastian Schnyder ist in diesem Jahr nicht wirklich vom Glück verfolgt. Der pensionierte Mediziner hatte relativ viele Gesundheitsprobleme und musste gleich mehrmals ins Spital. Nach den Eingriffen schaut er seine Arzt- und Spitalrechnungen jeweils genau an. «In diesem Jahr habe ich praktisch nur falsche Rechnungen erhalten.» So findet Schnyder auf den Rechnungen Positionen für Behandlungen, die nicht stattgefunden haben.
Bei einer ambulanten Handoperation verrechnete ihm das Spital unter anderem eine Anästhesie-Überwachung, die es nie gab. Für einen weiteren Eingriff, in einer anderen Klinik, der zwei Stunden und 20 Minuten dauerte, wurden Sebastian Schnyder elf Stunden Anästhesie verrechnet. Das sei legal gemäss Tarmed, hiess von Seiten des Leistungserbringers.
Sebastian Schnyder hat auch erlebt, dass Ärzte eine Korrektur der Rechnung verweigern. «Wahrscheinlich ist es eine Minderheit, aber es gibt eine gewisse Arroganz bei manchen Ärzten, die den Patienten als minderwertig anschauen und nicht mit ihm reden.» Sebastian Schnyder betont, dass es für die höheren Prämien die verschiedensten Gründe gebe, falsche Rechnungen seien nur einer davon.
Als ehemalige Ergotherapeutin ist sich Dorothea Schütt gewohnt, Rechnungen zu prüfen. Als sie die Abrechnung ihrer Hausärztin erhält, staunt sie Bauklötze: «733 Franken für das das bisschen, dass da passiert ist.»Frau Schütt fragt bei ihrer Hausärztin nach einer genauen Abrechnung und findet Positionen, die ihrer Ansicht nach unbegründet sind. Die Ärztin senkt den Rechnungsbetrag auf 647 Franken. Weil das für Dorothea Schütt immer noch zu viel ist, fragt sie kritisch bei der Ärztin nach.
Mit einschneidenden Konsequenzen: «Ich werde Sie ärztlich nicht mehr betreuen», antwortet die Hausärztin. Dorothea Schütt ist geschockt: «Ich frag doch nur nach und darauf werde ich rausgeschmissen.» Gegenüber «Kassensturz» nimmt die Anwältin der Hausärztin Stellung: «Die Leistung wurde gemäss Tarmed erbracht und entsprechend abgerechnet.» Gemäss Gesetz dürfe ein Arzt einen Patienten ausserdem nicht weiterbehandeln, wenn sich ein Konflikt abzeichne.
Keine Unterstützung von der Krankenkasse
Dorothea Schütt ruft bei ihrer Krankenkasse Swica an, um die Zahlung der ungeklärten Rechnung zu stoppen. Swica kann nicht helfen und schreibt der Prämienzahlerin: «Wir als Krankenversicherung können einzelne Rechnungen oder Positionen nicht beanstanden, da wir nicht wissen, ob diese tatsächlich stattgefunden haben oder nicht. »
Mario Fasshauer fordert Arztrechnungen, welche die Patientinnen selber lesen und verstehen können. Die Patientenstelle schätzt: 3-4 Milliarden Franken könnten jährlich gespart werden, wenn Rechnungen für Patientinnen und Patienten wirklich lesbar wären.
Krankenkassen, wie etwa die Helsana, kontrollieren systematisch Rechnungen. Bei der Helsana gehen jährlich rund 26 Mio. Rechnungen ein. Der grösste Teil wird automatisiert anhand von Algorithmen überprüft. Eine Spezialabteilung versucht Unregelmässigkeiten und schwarze Schafe unter den Ärzten ausfindig zu machen. Helsana spart gemäss eigenen Angaben jährlich zwischen 500 – 600 Mio. Franken mit diesen automatisierten Kontrollen.